Der Insulaner
einer schwungvollen Bewegung stieß sich Hael vom Boden ab, schwang das Bein über den Rücken des Tieres und schon saß er im Sattel, den zweiten Fuß ebenfalls im Steigbügel. Man legte ihm die Lederriemen in die linke Hand. So hatte er sich noch nie gefühlt; hoch oben über den Köpfen anderer Männer schwebend, den Körper eines mächtigen Tieres unter sich. Er spürte, wie die Lunge des Cabos zwischen seinen Knien arbeitete.
»Für einen Anfänger sitzt du wirklich gut«, stellte der erste Mann fest. »Nimm die Fersen nach unten. So ist’s besser. Die Riemen in deiner Hand sind die Zügel. Wenn du willst, dass er sich seitlich bewegt, ziehst du sie in die entsprechende Richtung und drückst mit dem anderen Knie gegen seinen Leib. Wäre er schon ausgebildet, würde das ausreichen, aber so, wie die Dinge liegen …« Er zuckte die Achseln. »So, wie die Dinge liegen, wirst du gar nicht lange genug oben bleiben, um dir darüber Gedanken zu machen. Wenn er vorwärts gehen soll, berührst du ihn mit beiden Fersen. Einen Versuch ist es wert.«
»Ich bin bereit«, sagte Hael mit wild klopfendem Herzen.
Die Halteleinen wurden aus den Lippenringen gelöst, und die Diener traten zurück. Ihre grinsenden Mienen nahmen einen verwirrten Ausdruck an, als Mondfeuer nicht augenblicklich verrückt spielte. Stattdessen tänzelte er aufgeregt herum, als sehne er sich nach einem schnellen Galopp, zeigte aber keinen Widerwillen gegen das Gewicht des Reiters.
Vorsichtig berührte Hael die Seiten des Tieres mit den Fersen. Das Cabo trabte an. Hael wurde heftig im Sattel hin- und hergeworfen, dachte aber daran, die Zügel nach links zu ziehen, damit das Tier nicht gegen den Zaun lief.
»Entspann deinen Rücken und die Beine!« rief ihm der Bereiter zu. Hael gehorchte und gewöhnte sich nach kurzer Zeit an die Bewegungen des Tieres. Der Geist des Cabos erfüllte ihn, und er spürte, dass es sich nach einem schnellen Lauf sehnte.
»Öffnet das Tor!« schrie er. Die Männer wechselten bestürzte Blicke.
»Macht schon!« befahl Shazad. Balken wurden beiseite geschoben, und das schwere Tor öffnete sich.
Ohne nachzudenken, denn er wusste instinktiv, wie er sich zu verhalten hatte, ließ Hael die Zügel locker und beugte sich leicht nach vorn. Mit einem Satz sprang Mondfeuer durch das Tor und rannte in vollem Galopp über die Weide. Hael nahm erstaunt zur Kenntnis, dass diese Gangart viel harmonischer war als der Trab, und Cabo und Reiter bewegten sich im Takt. Der Junge spürte, wie sehr Mondfeuer das Tempo genoss, für das er geschaffen zu sein schien. Für den Jungen war das Reiten eine ebenso neue Erfahrung wie die Seefahrt, aber bedeutend aufregender. Hier hielten sich Partnerschaft, Macht und Beherrschung die Waage. Das Cabo gehorchte seinem leisesten Wunsch, und er musste kaum die Zügel oder Knie annehmen.
Hael fühlte die kräftigen Muskeln zwischen seinen Beinen und begriff, dass Mondfeuer so feurig war, dass er weiterlaufen würde, bis ihm das Herz brach, falls Hael es gewünscht hätte. Nach und nach richtete sich der Junge wieder auf, und das Tier verlangsamte seinen schnellen Lauf, bis es schließlich wieder trabte. Er lehnte sich ein Stück zurück, zupfte sachte an den Zügeln und schon blieb das Cabo stehen. Dann nahm er das linke Knie an, und das Tier drehte sich auf der Stelle einmal um die eigene Achse. Er versuchte das gleiche mit dem anderen Knie, und wieder drehte sich Mondfeuer gehorsam. Hael wunderte sich, wieso diese Leute so viel Aufhebens um eine so einfache Sache machten. Wahrscheinlich liegt es daran, dachte er, dass sie durch das Leben in der Stadt so unempfänglich für die übersinnliche Ausstrahlung sind, dass sie ihre Cabos nur mit körperlicher Gewalt beherrschen können.
Er ließ Mondfeuer antraben und kehrte in den Pferch zurück, wo ihn die Männer mit offenen Mündern erwarteten. Der erste Reiter ergriff schließlich das Wort.
»Warum hast du uns erzählt, du wärest noch nie geritten?«
»Weil es die Wahrheit ist«, antwortete Hael. Er nahm die Beine aus den Steigbügeln und ließ sich vom Rücken des Tieres gleiten. Sein Hinterteil und die Schenkel schmerzten, und er verzog das Gesicht. Anscheinend gab es beim Reiten, ähnlich wie bei der Seefahrt, anfangs auch unangenehme Begleiterscheinungen. Noch einmal klopfte er Mondfeuers Hals, und die Männer befestigten die Führleinen wieder an den Lippenringen. Sofort begann das Tier wieder unruhig hin und her zu tänzeln und zu
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