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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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sondern aus dieser unsicheren Lage heraus Schlachten führten, erschien ihm völlig unmöglich.
    Die Schwerter wirkten größtenteils ebenso kunstvoll gearbeitet wie sein eigenes Langschwert, doch die Speere erwiesen sich schlicht als lange Holzschäfte mit Metallspitzen. Daraus schloss Hael, dass Schwerter von Edelleuten getragen wurden und die Speere wahrscheinlich den einfachen Soldaten gehörten, wie den Wachen oder Dienern des Palastes.
    Das Prasseln des Regens auf die Oberlichter hörte auf, und plötzlich bahnte sich ein Sonnenstrahl den Weg durch die Wolken. Am Stand der Sonne erkannte Hael, dass er sich seit mehr als einer Stunde im Palast aufhielt. Er überlegte, ob er fortgehen sollte. Sicherlich hatte er lange genug gewartet und der Höflichkeit Genüge getan. Wahrscheinlich hatte ihn die Priesterin vergessen. Er hätte sie gerne näher kennen gelernt, da er ihresgleichen nie zuvor begegnet war. Aber Hael hatte keine Lust, von ihr so wenig beachtet zu werden, wie sie es mit ihren Sklavinnen tat. Gerade wollte er gehen, als ihn eine Stimme inne halten ließ.
    »Wie ich sehe, findest du Gefallen an Kriegerausrüstung.«
    Hael wandte sich um und erblickte einen Mann, der genauso groß war wie er selbst, von kraftvoller Statur, aber mindestens dreißig Jahre älter. Er trug ein Gewand aus glänzendem Stoff, das ihm bis zu den Knöcheln reichte. In der Schärpe steckte ein Dolch, dessen Griff mit prachtvollen Schnitzereien verziert war.
    »Ich bin ein Krieger«, erklärte Hael. Er klopfte mit der Hand auf einen Brustpanzer. »Aber bisher habe ich immer in meiner eigenen Haut gesteckt, nicht in der einer Schildkröte.«
    Der Mann lächelte. Es wirkte ein wenig verzerrt, mit einer Narbe, die sich von einem Mundwinkel bis in die grauen Barthaare zog. »Du würdest schnell merken, wie vorteilhaft eine Rüstung ist, wenn du einmal an einer Schlacht zwischen zwei Armeen teilnimmst. Wenn man in Reihen neben- und hintereinander kämpft, ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, genau wie beim berittenen Kampf. Und wenn du einem Pfeilhagel gegenüberstehst, kannst du nicht jedes Geschoß im Auge behalten.«
    Er ging zu der Bronzerüstung hinüber, strich über den Brustpanzer und ließ die Finger durch den rotgefärbten Federschmuck des Helmes gleiten. »Diese Rüstung hat mir schon oft das Leben gerettet. Ein Offizier kann sich noch weniger um herannahende Pfeile kümmern als ein gemeiner Fußsoldat.« Es überraschte Hael nicht, dass dieser Mann zu den Befehlshabern der Armee zu zählen schien.
    »Aber dennoch zeigen diese Bilder« – Hael deutete auf die Wandmalereien – »Krieger, die Mann gegen Mann kämpfen, wie es auch daheim auf meiner Insel Sitte ist.«
    »Das sind Bilder aus alten Legenden«, erklärte der Mann und sah wohlgefällig hinüber. »Es handelt sich um meine Vorfahren. Wenn man den alten Versen lauscht, scheinen alle Schlachten durch Zweikämpfe der Helden entschieden worden zu sein. Das ist heute anders – wenn es damals überhaupt jemals so war. In den Wirren der Schlacht kommen auch solche Duelle noch vor, aber ein Krieg wird durch die gesamte Armee entschieden. Der Sieg gehört der größeren Truppe oder aber der, die den besseren Kriegsherren hat.«
    »Ich weiß nicht, ob mir diese Art zu kämpfen gefallen würde«, meinte Hael. »Wie soll man sich dabei mit Ruhm bedecken?«
    »Kriege werden nicht geführt, damit sich ein Soldat mit Ruhm bedeckt, obwohl ein tapferer, geschickter und fähiger Mann schnell auffällt. Aber sicherlich wäre es falsch, wenn du mit deinem Speer in die Schlacht ziehen würdest.« Er näherte sich Hael und riss erstaunt die Augen auf. »Aber … du bist ja kaum mehr als ein Knabe!«
    Hael hielt sich aufrecht und schwenkte empört den Speer. »In meiner Heimat denkt man da anders!«
    Der Mann streckte ihm die Hand entgegen. »Friede, mein Freund. Ich weiß, du bist ein Krieger, aber hierzulande ist alles ein wenig anders. Als mir meine Tochter von deiner Tat erzählte, erwartete ich, einen viel älteren Mann zu sehen, und dein Gebaren wirkt sehr erwachsen, dabei kannst du nicht älter als siebzehn sein.«
    »Ich freue mich, dass sie meine Hilfe als wertvoll beurteilt«, antwortete Hael, »aber nie hätte ich gedacht, dass ihr es als Heldentat wertet, wenn man ein verängstigtes Kagga beruhigt.«
    Der andere lachte, »Wie dem auch sei, die Lage war nicht ungefährlich, und dein Eingreifen wandelte in einen Spaß, was tödlich hätte enden können. Meine Tochter ist

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