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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Philosophen leben, darf man frei daherreden, auch wenn die Priester es nicht gern hören. Im Hinterland aber fürchten die Menschen ihre Götter so sehr, dass sie Ungläubige sofort töten. Am gefährlichsten ist es in den primitiven Städten, wo die Macht der Obrigkeit von der Gnade der Götter abhängt. Dort würde man unter den furchtbarsten Qualen und Folterungen hingerichtet, wenn jemand wie ich als Zweifler entlarvt würde.«
    »Das muss ich mir merken«, meinte Hael. Diese Götterangelegenheiten wurden immer verworrener. Dann erkundigte er sich nach den riesigen bebauten Äckern, zwischen denen sie hindurchritten. Die Gegend unterschied sich drastisch von den Feldern und winzigen Gehöften seiner Inselheimat. Choula erwies sich als ein unerschöpflicher Quell des Wissens. War sein Interesse erst einmal geweckt, war es äußerst schwierig, seinen Redefluss einzudämmen.
    »Was du siehst, hat nichts mit einzelnen Bauernhöfen gemein«, teilte er Hael mit. »Es handelt sich um Plantagen. Manche Großgrundbesitzer haben so viel Land, dass man dessen Grenzen nicht in zwei Tagesritten abreiten kann. Einige dieser Plantagen werden vom Besitzer bearbeitet, der auch dort lebt, andere wiederum von riesigen Sklavenhorden.«
    »Woher stammen die Sklaven?«
    »Manche werden schon als Sklaven geboren. Andere sind Kriegsgefangene. Nach einem Krieg quellen die Märkte mit billigen Sklaven über. Wenn in solchen Zeiten ein kluger Mann das Land verarmter Bauern aufkauft und zahlreiche Sklaven dort einsetzt, kann er erstaunliche Gewinne erzielen.«
    »Wenn man den Krieg gewinnt«, warf Hael ein.
    Choula winkte ab. »Ganz gleich, wer gewinnt: Irgendwer hat immer den Gewinn.«
     
    Während des ersten Tages veränderte sich die Landschaft kaum. Kurz vor Sonnenuntergang schlugen sie ihr Lager unweit eines kleinen Dorfes an einem Fluss auf. Aus alter Gewohnheit seiner Hirtentage ritt Hael auf eine kleine Anhöhe und beobachtete die Vorbereitungen für die Nacht. Manche seiner Gefährten verspotteten ihn, weil er immer auf der Hut schien, obwohl sie noch etliche Tagesreisen von der Grenze Nevas entfernt waren, aber Hael sah nicht ein, weshalb er bewährte Vorsichtsmaßnahmen außer acht lassen sollte.
    Außerdem verspürte er das Bedürfnis, allein zu sein, wie in jenen Tagen, als er die Kaggas seines Stammes gehütet hatte. Neues und Unbekanntes stürmte mit atemberaubender Geschwindigkeit auf ihn ein, und er brauchte Zeit, darüber nachzudenken, es zu verstehen und zu verarbeiten. Er hatte das Gefühl, seiner Bestimmung entgegenzugehen und sich in Zukunft auf seine Klugheit und sein Wissen stützen zu müssen:
    Hael war dankbar, dass die ersten Reisetage in kurze Etappen gegliedert worden waren, damit Menschen und Tiere die Gelegenheit hatten, sich allmählich an lange Märsche und das Leben in der Karawane zu gewöhnen. Niemand musste harte Arbeit verrichten, aber am Ende des ersten Tages war Hael vom Reiten ebenso wund wie nach dem Beschneidungsritual der Shasinn, nur diesmal an anderen Stellen. Die erfahreneren Reiter lachten vergnügt über sein Unbehagen, wie es auch die Matrosen auf der Wellenfresser getan hatten, als er seekrank wurde. Anscheinend gehört es zum Lauf der Welt, dachte er, dass jene, die an anstrengende Tätigkeiten schon gewöhnt sind, viel Spaß an den Qualen eines Neulings haben. Hael ertrug die Schmerzen mit Fassung und stellte fest, dass nicht der eigentliche Schmerz das schlimmste war, sondern die Peinlichkeit, die sich daraus ergab. Er legte seinem Cabo Fußfesseln an und rieb es ab, ehe er sich zum Lagerfeuer begab. Dabei bemühte er sich, möglichst nicht zu schwanken und gerade zu gehen.
    Am vierten Tag der Reise hatten sich seine Reitschmerzen verflüchtigt, und sie näherten sich der Grenze Nevas. Allmählich war das Land hügelig geworden, und die Gutshöfe, die anfangs häufig zu sehen waren, lagen nun weit verstreut. Zu beiden Seiten des Weges sah er grasbewachsene Hügel, auf denen neben Kaggas und anderem Vieh auch Wild graste, das in der Nähe der Städte nie in Erscheinung getreten war.
    Von nun an stellte Shong Nachtwachen auf und ließ Späher voranreiten. So weit im Hinterland erwies sich der Arm des Gesetzes oftmals als schwach, und häufig stieß man auf Wegelagerer und anderes Gesindel. Wenn sie die Grenze überschritten, wurde die Gefahr noch größer, da Omia kein so straff regiertes Land wie Neva war, wo viele Landedelleute und Armeepatrouillen für Ordnung sorgten. Hael erwartete,

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