Der Ire
»Manche Banken perforieren jetzt alte Geldscheine, die eingestampft werden sollen. Eine Maschine stanzt eine Codezahl in großen Ziffern in ganze Bündel von Scheinen.«
»Und dadurch sind sie wertlos?«
»Allerdings! Das ist schließlich der Sinn der Sache!«
»He, wovon redet ihr überhaupt?«
Morgan leerte den Postsack auf dem Tisch aus, ohne auf die Bündel zu achten, die zu Boden fielen. Er griff nach dem ersten, untersuchte es, ließ es fallen und nahm das nächste in die Hand. Als er wieder den Kopf hob, war er leichenblaß. »Sie sind alle gleich, verdammt noch mal!«
»Heute ist eben dein Unglückstag, Morgan«, behauptete Rogan.
Colum O'More lachte schallend. »Wenn du jetzt dein Gesicht sehen könntest! Einfach unbezahlbar!«
»Daran bist du schuld!« warf Morgan ihm vor. »Das ganze Unternehmen war bloße Zeitverschwendung. Und das verdanken wir dir!«
»Niemand ist unfehlbar, mein Junge«, antwortete Colum
O'More und wollte aufstehen.
Morgan schoß zweimal. Die beiden Kugeln trafen O'Mores Brust und warfen ihn in den Sessel zurück. Während Hannah entsetzt aufschrie, warf Rogan sich der Länge nach unter den Tisch. Seine Finger schlössen sich um den Griff der Pistole.
Morgan wich zurück, um besser zielen zu können. Aber er war zu langsam. Rogans erster Schuß traf seine Brust. Der zweite ging in den Magen und warf ihn gegen die Wand. Morgan ließ seinen Revolver fallen und sackte mit ausdruckslosem Gesicht zusammen. Dann fiel er nach vorn.
Colum O'More hockte zusammengekrümmt in seinem Sessel. Hannah kniete neben ihm und versuchte seinen Kopf hochzuheben. Rogan legte die Pistole auf den Tisch und richtete den Alten in seinem Sessel auf. O'More hielt die Augen noch immer fest geschlossen. Auf seiner Stirn standen winzige Schweißperlen.
Rogan schüttelte ihn leicht. »Colum, hör zu. Wie schwer bist du verletzt?«
Als der Alte die Augen öffnete, sah der Tod sie an. »Mir ist nicht mehr zu helfen, mein Junge.« Er starrte an ihnen vorbei ins Leere. »Ich habe immer anständig gelebt, ich war stolz auf meine Ehrlichkeit - und jetzt das hier.« Als er hustete, rann ihm Blut aus den Mundwinkeln. »Das war nicht ich, Sean, das war nicht der Große Mann. Daran ist meine Krankheit schuld. Ich glaube, daß sie auch mein Gehirn angegriffen hat.«
Rogan stand auf und wandte sich an Hannah. »Du bleibst bei ihm. Ich hole einen Arzt.«
»Damit vergeudest du nur wertvolle Zeit«, rief O'More ihm nach, als Rogan in den Flur hinauslief.
Rogan öffnete die Haustür und blieb erschrocken stehen. Von der Küstenstraße her drang Motorenlärm durch den Nebel. Mindestens ein halbes Dutzend Fahrzeuge! Er hörte sie auf dem schlechten Weg nach Marsh-End heranbrummen, knallte die Tür zu, schloß sie ab und rannte ins Wohnzimmer zurück.
»Polizei!« Rogan riß Hannah am Arm mit, lief in die Küche und stieß die rückwärtige Tür auf. »Du kennst den Weg zum Boot. Warte dort auf mich!«
Hannah wollte widersprechen, aber er gab ihr einen Stoß. »Tu, was ich dir sage! Habe ich nicht schon genügend andere Sorgen?«
Er schob sie in den Nebel hinaus, schloß die Tür und rannte ins Wohnzimmer. »Sie müssen gleich da sein, Colum. Sie können mehr für dich tun als ich.«
»Mir kann niemand mehr helfen«, murmelte der Alte mit zusammengebissenen Zähnen. »Aber du mußt dich retten. Gib mir die Pistole und verschwinde! Harry Morgans Tod soll auf meinem Gewissen lasten, nicht auf deinem.«
»Colum, ich ...«
»Gib die Pistole her!« knurrte O'More. Als Rogan ihm die Waffe übergab, bremste draußen der erste Wagen. Dann waren Schritte zu hören. »Verschwinde!« rief Colum O'More. Rogan lief in die Küche und stieß die Hintertür auf.
Er hatte den Hof schon halb durchquert, als ein junger Polizist um die Ecke auf ihn zukam. Rogan schlug einen Haken, holte gleichzeitig aus und traf mit der Faust gegen Backenknochen. Der Polizist ging zu Boden. Rogan hörte Schreie hinter sich, dann tauchte er zwischen den Bäumen im Nebel unter.
Morgan richtete sich langsam auf und sackte gegen die Wand zurück. Sein ganzer Körper schmerzte, und er hatte Blut im Mund. Aber er rang sich trotzdem ein Grinsen ab, als er zu Colum O'More hinübersah.
»Ich halte durch, alter Knabe. Jedenfalls so lange, bis feststeht, daß Rogan als Mörder verurteilt wird.«
»Tatsächlich?« fragte Colum O'More und streckte ihn
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