Der italienische Geliebte (German Edition)
es braut sich etwas zusammen.«
»Es gibt bald ein Gewitter«, sagte er. »Schau.«
Als sie zu dem Stück Himmel über ihnen hinaufblickte, sah sie, dass die Sterne jetzt von Wolken verdeckt waren.
»Ich war spazieren«, sagte Guido. »Um einen klaren Kopf zu bekommen.«
»Wie geht es deinem Bein?«
»Gut. Es tut noch ein bisschen weh, aber die Ärzte meinten, Bewegung sei das Beste.« Er rollte das rechte Hosenbein hoch. Seine Wade war ein Flickwerk blasser und roter wulstiger Narben.
Tessa dachte daran, wie er im Becken im Park der Villa Millefiore geschwommen war, wie gern sie dem geschmeidigen Spiel seiner vollkommen geformten Glieder zugesehen hatte und wie das Wasser von der gebräunten Haut abgeperlt war, wenn er aus dem Becken stieg.
»Armer Guido«, sagte sie.
»Ich habe Glück gehabt. Ich hätte das Bein auch verlieren können.«
»Das waren sicher entsetzliche Schmerzen.«
»Höllisch, aber dann habe ich Morphium bekommen.« Er lachte plötzlich. »Ein reizendes Paar sind wir – beide gerade noch einmal davongekommen.«
Er strich ihr den Pony aus dem Gesicht und berührte leicht die Narbe, die sich über ihre Stirn zog. Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zurückzuzucken.
»Du bist so schön, wie du immer warst«, erklärte er liebevoll. »Lass dir von niemandem etwas anderes einreden.«
Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
»Wo bist du noch verletzt worden, Tessa, außer an der Stirn?«
»Bein, Arm… Schlüsselbein.«
»Und auch hier, glaube ich.« Er legte die Hand auf seine Brust, an die Stelle, wo sein Herz schlug.
Tessa sagte: »Du hättest Maddalena nicht allein wegfahren lassen sollen. Du hättest mit ihr fahren müssen.«
»Vielleicht.«
»Nicht vielleicht. Auf jeden Fall. Sie hat Angst um dich. Kannst du ihr das übel nehmen?«
»Tessa, halte dich aus Dingen heraus, von denen du nichts weißt.« Sein Ton war abweisend.
»Ich denke, dass Maddalena dich liebt und sich um dich sorgt.«
Er stand auf und entfernte sich ein paar Schritte, bevor er stehen blieb und zum Himmel hinaufschaute. »Die Wolken werden dichter.« Sie spürte, dass er versuchte, seinen Ärger zu bezwingen. »Man sehnt den Regen richtig herbei, nicht?«
Ein leichter Wind bewegte die Blätter des Oleanders und der Zitronenbäume.
Tessa warf das Haar zurück und genoss den kühlen Luftzug auf den bloßen Armen und im Gesicht. »Ich kann nie genug Sonne bekommen«, sagte sie. »Ich habe zu lange in England gelebt.«
Guido nahm sein Zigarettenetui aus der Jackentasche und hielt es ihr hin. Tessa hörte, wie er sein Feuerzeug anknipste, und sah die Flamme aufleuchten. Das Laub raschelte, als der stärker werdende Wind wirbelnd in den Hof einfiel.
Er setzte sich wieder zu ihr. »Es war nicht das erste Mal, dass Maddalena und ich gestritten haben. Im Gegenteil –«, er lachte unfroh, »es wird langsam zur Gewohnheit.«
»Das kommt daher, dass ihr so lange getrennt wart. Und weil es dir nicht gut gegangen ist. Das muss beängstigend für sie gewesen sein. Und Angst kann Menschen wütend machen.«
Guido starrte grübelnd vor sich hin. »Wir streiten immer um dasselbe. Maddalenas Vater ist ein sehr wohlhabender Mann. Er musste niemals arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er gehört zu den Menschen, die immer die richtigen Leute kennen und immer das Richtige sagen. Ich verachte ihn.«
»Du musst ihn doch schon gekannt haben, als du Maddalena geheiratet hast.«
»Ja, sicher.« Er wedelte ärgerlich mit der Hand. »Damals glaubte ich, es wäre nicht wichtig. Ich dachte, uns beträfe das nicht.«
»Aber jetzt betrifft es euch doch?«
»Ein Wort zu ihm, und ich kann in irgendein Bergnest in den Alpen versetzt werden, wo ich schlimmstenfalls mal einem Bauern auf die Füße treten müsste, der seine Verbrauchssteuern nicht bezahlt.«
»Und Maddalena hätte es gern so?«
»Ja. Aber ich kann das nicht, Tessa. Ich könnte nicht mit mir selbst leben. Meine Ehre –« Guido lachte säuerlich. »Schön affig muss ich mich heute Nachmittag angehört haben. Die Männer, die diesen Krieg angezettelt haben und ihn weiter schüren, besitzen keinen Funken Ehre. Gott weiß, was passiert, wenn wir in der Wüste noch eine Niederlage einstecken müssen. Irgendwann wird Deutschland keine Truppen mehr dorthin schicken können. Die Deutschen kämpfen ohnehin schon an zu vielen Fronten zugleich,
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