Der italienische Geliebte (German Edition)
Lebensmittelknappheit und all diesen Problemen, aber sie hoffe, es werde bald wieder besser werden. Guido lachte nur kurz und geringschätzig und Olivia, bemüht, keine Missstimmung aufkommen zu lassen, sagte, sie werde ihnen selbstverständlich Vorräte für Florenz mitgeben.
Man hatte Guido Mitte des Jahres nach Italien zurückgeschickt, nachdem er in Nordafrika verwundet worden war. Olivia und Faustina hatten ihn mehrmals besucht, zuerst im Militärkrankenhaus, später, nach seiner Entlassung, in Florenz. Jetzt hatte er noch zwei Wochen Urlaub, bevor er sich wieder zum Dienst melden musste.
»Es ist wunderbar, dass du hier bist, Guido«, sagte Olivia.
Faustina, die immer gern stichelte, bemerkte: »Ich glaube, Guido kann es kaum erwarten, wieder an die Front zu kommen. Er möchte lieber ein Held sein.«
»Ein Held ganz bestimmt nicht«, entgegnete Guido scharf und mit einem ärgerlichen Blick zu Faustina. »Aber ganz sicher auch keiner, der sich in der Etappe verkriecht wie eine Maus im Mauseloch.«
Faustina drehte eine Haarsträhne um ihren Finger. »Tja, Langeweile war schon immer das Schlimmste für dich, Guido.«
»Stimmt. Lieber Gefahr als Langeweile.«
»Wir andere müssen sie auch aushalten.« Faustina beugte sich vor, um einen Keks von der Platte zu nehmen. »Besonders wir Frauen. Das Meiste von dem, was wir Frauen tun müssen, ist ungeheuer langweilig.«
»Im Übrigen ist es keine Frage der Langeweile. Es ist eine Frage der Ehre .«
»Guido«, sagte Maddalena leise, »nicht jetzt.«
Guido ergriff einen kleinen silbernen Löffel und legte ihn wieder hin. »Ich möchte zurück nach Nordafrika.« Seine Stimme klang angespannt. »Maddalena will das nicht.«
»Ist das so unverständlich?« Maddalenas Augen blitzten plötzlich. »Warum sollte ich wünschen, dass du an die Front geschickt wirst? Damit du dann womöglich nicht wiederkommst? Was würde das Luciella oder mir helfen, Guido?«
»Ich lasse mich nicht gern manipulieren. Ich lasse mir nicht gern –«
»Guido«, sagte Tessa gedämpft.
Maddalena stand auf. »Was ist dir wichtiger, Guido? Deine Frau und dein Kind – oder deine Ehre ?«
»Das ist unfair«, entgegnete Guido kalt. »Und das weißt du genau.«
»Bitte entschuldige mich, Olivia.« Maddalenas Stimme zitterte. »Luciella muss jetzt essen. Und ich habe Kopfschmerzen.« Sie nahm das Kind auf den Arm und ging.
»Die Hitze…«, murmelte Olivia.
Lange blieb es still. Dann sagte Guido: »Tut mir leid, Mutter«, stand auf und verließ ebenfalls das Zimmer.
Die erste Septemberwoche war beinahe um, und es hatte einen Monat lang keinen Tropfen geregnet. Staubige weiße Straßen wanden sich ausgedörrte Hänge hinauf, die Sonne stand wie eine flache blasse Scheibe am metallisch blauen Himmel, und im Herrenhaus hingen die Vorhänge schlaff in der schwülen Luft. Durch die Schlitze in den Fensterläden fiel das Licht in grellen Streifen auf den Fußboden.
Tessa hatte an diesem Abend das Gefühl, ein Unheil liege in der Luft. Maddalena hatte bleich und zornig ihr Kind, die Kinderfrau und das Gepäck im Wagen verstaut und war abgefahren, zum Landhaus ihrer Eltern bei Impruneta. Guido war nicht aus dem Haus gekommen, um sie zu verabschieden.
Nach dem Abendessen hörte die Familie die Nachrichten, die eine Niederlage der Achsenmächte in Nordafrika, bei Alam Halfa, meldeten. Ein vorübergehender Rückschlag, behauptete der Nachrichtensprecher, aber nachdem Olivia das Radio ausgeschaltet hatte, saßen sie reglos in der stickigen Hitze und wussten kaum etwas zu sprechen.
Nachts konnte Tessa nicht schlafen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden zog sie eine lange Hose und eine ärmellose Bluse an und ging nach unten. In der Küche ließ sie sich ein Glas Wasser einlaufen, hielt die Hände unter den Hahn und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und in die Haare. Die Marmorböden waren angenehm kühl unter ihren bloßen Füßen, als sie im Dunkeln durch Zimmer und Flure ging. Ein Licht zog sie zum Innenhof.
Guido saß auf einer Steinbank zwischen den Terrakottatöpfen. Unter den Bögen der Loggia brannte von staubigen, kupferfarbenen Faltern umflattert eine Öllampe. Tessa sagte leise seinen Namen.
Er drehte sich um. »Tessa«, sagte er. »Kannst du auch nicht schlafen?«
»Es ist zu heiß.« Sie stellte das Glas Wasser ab und setzte sich neben ihn auf die Bank. »Bei solchem Wetter hat man immer das Gefühl,
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