Der italienische Geliebte (German Edition)
Ihnen und Jack wäre vielleicht etwas im Gange.«
»Zwischen mir und Jack?« Freddie lachte. »Du meine Güte, nein. Jack und ich streiten immer bloß. Ich habe ihn sowieso seit Jahren nicht gesehen.«
»Ich glaube, er ist im Ausland. Alles streng geheim, hat mir irgendjemand erzählt.«
Streng geheim und zweifellos gefährlich. Durch die beschlagene Scheibe konnte sie nur eine verschwommene Landschaft erkennen, als sie zum Fenster hinausschaute.
»Ich wollte, der Zug würde endlich weiterfahren«, sagte sie.
»Haben Sie noch etwas vor?«
»Nein, eigentlich nicht, nur das Übliche, waschen, bügeln, ein paar Briefe schreiben.«
Lewis zog das Fenster herunter und streckte den Kopf hinaus. »Da rührt sich gar nichts, soweit ich sehen kann. Ein paar Männer stehen herum und quatschen, das ist alles. Vielleicht hat die Lokomotive den Geist aufgegeben.«
»Genau das ist es«, sagte sie gereizt. »Alles ist so unzuverlässig .«
»Tja, zu viel Ersatz und Flickwerk.«
»Ich muss immer ordentlich planen. Ich mag es, wenn alles funktioniert.«
»Überraschungen mögen Sie dann wohl nicht, hm?«
»Jedenfalls keine, bei denen man stundenlang irgendwo in der Wildnis festsitzt. Aber egal, erzählen Sie mir lieber von sich. Fahren Sie mit Ihrem Schiff immer noch auf dem Atlantik herum?«
Er bejahte nur kurz, und sie merkte, dass er nicht darüber sprechen wollte. Sie suchte nach einem anderen Thema, als er unvermittelt sagte: »Ich bin jetzt auf einem Zerstörer. Es ist ein bisschen angenehmer, man fühlt sich nicht so ausgeliefert wie auf einer Korvette. Aber es kann trotzdem die Hölle sein, wenn auch meistens auf andere Art, als die Leute im Allgemeinen annehmen. Ich meine, für mich ist es nicht unbedingt das Schlimmste, wenn etwas im Gange ist, etwa wenn wir unter Beschuss sind oder so, obwohl das natürlich auch furchtbar sein kann. Aber da hat man wenigstens etwas zu tun und kommt nicht zum Nachdenken. Für mich ist es das Schlimmste, wenn ich nachts Wache schieben muss. Man kommt sich vor, als wäre man der einzige Mensch, der auf der Welt noch übrig ist. Alles ist Grau in Grau, und man sieht um sich herum meilenweit nichts als leere graue See. Ich werde dann immer – ich weiß auch nicht, hoffnungslos. Als gäbe es nichts anderes und würde auch nie etwas anderes geben.«
»Oh, Lewis«, sagte sie sanft.
»Entschuldigen Sie.« Er lächelte sie an. »Einen schönen Mist rede ich da. Als ich noch mit Clare zusammen war, habe ich versucht, an sie zu denken, wenn ich einen Moralischen bekam. Was ich ihr schreiben würde und so.« – »Sie können mir schreiben, wenn Sie wollen. Ich weiß, es ist nicht das Gleiche, aber wenn es Sie ein bisschen ablenken würde… Und ich schreibe gern Briefe.«
»Sie würden mir schreiben? Das wäre großartig. Wirklich nett von Ihnen, Freddie.« Seine Stimmung hatte sich aufgehellt, aber unversehens verdüsterte sich sein Gesicht wieder. »Ich habe Angst, dass ich den Schneid verliere. Ich sehe doch die Kameraden, wie sie im Pub sitzen und sich volllaufen lassen, bevor sie wieder auf ihr Schiff gehen. So möchte ich nicht enden.«
Sie dachte an den Rum und wie er die Augen geschlossen hatte, bevor er den Kopf in den Nacken gelegt und getrunken hatte. Sie nahm Bleistift und Notizbuch aus ihrer Handtasche und schrieb ihre Adresse auf.
»Hier«, sagte sie und riss die Seite heraus, um sie ihm zu geben. »Schreiben Sie mir, wenn Ihnen danach ist. Schreiben Sie, was Sie wollen, ganz gleich. Ich freue mich immer, wenn ich einen Brief bekomme.«
Lewis steckte den Zettel ein. »Schreiben Sie vielen Leuten?«
»Max und Julian natürlich und ein paar Frauen, die ich durch meine Arbeit in London kenne.« Sie machte eine kleine Pause, bevor sie hinzufügte: »Und manchmal schreibe ich Briefe an meine Schwester Tessa, aber ich habe keine Ahnung, ob sie sie bekommt.«
»Wo steckt sie denn?«
»In Italien. Als ich das letzte Mal von ihr hörte, war sie bei Freunden auf einem Landsitz in der Nähe von Florenz untergekommen.« Freddie runzelte die Stirn. »Ich merke richtig, wie ich jetzt anfange zu hoffen, und das ist beinahe schlimmer. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich denke, dieser Krieg wird vielleicht eines Tages vorbei sein. Vorher habe ich daran fast nie gedacht, weil es immer aussah, als würde er nie enden.«
»Wenn die Achte Armee in Tunesien siegt – und es ist fast zu erwarten –, muss
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