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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Wenn ich mit ihr befreundet wäre, würde sie mir wahnsinnig auf die Nerven gehen.«  
    »Und jetzt Songs.«  
    »Das ist nicht fair, erst sind Sie dran, Lewis. Na schön. Also – Jealousy  – ich liebe Tango. Dann Apple Blossom Time , schnulzig, ich weiß, aber ich mag es einfach. Und As Time Goes By. «  
    »Wegen Casablanca.«  
    »Genau.« Sie sah zum Klavier hinüber. »Schade, dass niemand spielt.«  
    »Spielen Sie?«  
    »Leider nicht. Und Sie?«  
    Er schüttelte den Kopf. »Aber meine Tante Lol hat mir Gesangsunterricht gegeben.« Er begann, zuerst ganz leise, dann lauter die Melodie von As Time Goes By zu summen. Anfangs warfen die Leute nur schräge Blicke auf ihn und kehrten zu ihren Gesprächen zurück, dann aber stimmte mit einem hellen Sopran, der sich gut mit Lewis’ vollem Bariton ergänzte, eine der Soldatenbräute ein, und sehr schnell, so schien es Freddie, die hin und her gerissen zwischen Verlegenheit und Lachen das Ganze verfolgte, sang fast das ganze Lokal mit. Auch sie, denn es war unwiderstehlich, und er war unwiderstehlich. Als er aufstand, ihre Hand ergriff und seinen Gesang an sie richtete, theatralisch, aber auch komisch und spürbar aufrichtig, wusste sie, dass sie sich in ihn verliebt hatte und alle Vorsicht und Vernunft schon verloren waren.  
    Am Ende des Lieds gab es begeisterten Applaus, und Lewis verneigte sich nach allen Seiten. Freddie musste wegschauen. Sie hatte heftiges Herzklopfen, und der Kopf schwamm ihr, als bekäme sie nicht genug Sauerstoff.  
    Wacklig stand sie auf. »Wir sollten gehen.«  
    Vor dem Bahnhof sagte Lewis: »Hier, nehmen Sie das für ein Taxi«, und wollte ihr einen Zehn-Schilling-Schein geben.  
    Sie wehrte ab, sie könne den Bus nehmen, sagte sie.  
    »Nehmen Sie das Geld, Freddie. Es ist meine Schuld, dass es so spät geworden ist. Wenn Sie es nicht nehmen, muss ich darauf bestehen, Sie nach Hause zu bringen, und dann werde ich wirklich zum Kartoffelschälen verdonnert.« Er lächelte. »Es war ein unglaublich schöner Abend. Danke.« Und mitten im Strom nächtlicher Reisender küsste er sie. Seine Lippen waren kühl, seine Hände lagen leicht auf ihrem Rücken, und da war es wieder, dieses herrliche Gefühl, in einem Taumel zu versinken.  

13
     
    Die ersten Kinder waren im Frühjahr angekommen , ein halbes Dutzend, zwischen vier und elf Jahren alt, Flüchtlinge aus dem schwer bombardierten Genua. Ihre Kleider waren zerlumpt und schmutzig, die kleinen Körper voller Ausschläge und Furunkel, und sie hatten Läuse. Tessa und Faustina badeten sie, gaben ihnen saubere Kleidung, behandelten aufgekratzte und entzündete Wunden und entlausten sie. Denen, die am schlimmsten befallen waren, schoren sie die Köpfe, bei den anderen gingen sie mit einem feingezähnten Kamm durch das verfilzte Haar. Dann gaben sie ihnen Brot und Milch und brachten sie später in einem großen Zimmer, das in einen Schlafsaal umgewandelt worden war, zu Bett. In der ersten Nacht weinten sich die meisten in den Schlaf.  
    Drei Wochen später trafen noch einmal zehn Kinder ein, dazu zwei Säuglinge mit ihren Müttern. Eines der Kinder war ein Junge von vielleicht sechs Jahren, der Tommaso hieß. Tommasos Haare waren so dicht von Läusen bevölkert, dass man fast sehen konnte, wie sie sich bewegten. Er verschlang sein Essen wie ein wildes Tier, und während er es sich mit beiden Händen in den Mund stopfte, schaute er ständig misstrauisch um sich, als hätte er Angst, es könnte ihm gestohlen werden. Er hatte entzündete Wunden im Gesicht, die nie verheilten, weil er immer wieder die Kruste abkratzte. Und er sprach nicht – Tessa musste an Perlita denken und ihr beharrliches Schweigen in der ersten Schulwoche. Aber Tommaso war nicht wie Perlita. Er weinte nicht wie die anderen Kinder und er lächelte nicht, sondern verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die einem Zähnefletschen glich. Der einzige Laut, den Tommaso von sich gab, war ein seltsames wimmerndes Heulen. In der Schule folgte er nicht wie die anderen Kinder dem Unterricht, sondern schaukelte in seiner Schulbank hin und her und kratzte dabei an einer verschorften Wunde an seiner Augenbraue. Ab und zu ließ er sein jämmerliches Heulen hören. Wenn ihm jemand zu nahe kam, schnellte blitzartig wie die Zunge einer Eidechse sein Kopf vor, und er versuchte zu beißen.  
    Lina, die Aushilfslehrerin, die die Kinder von Neapel zur Villa di Belcanto gebracht hatte, schlug vor, Tommaso im Interesse der anderen

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