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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatte es etwas Hypnotisches, zuzusehen, wie die Spule sich drehte und die bauschige, klumpige Schafwolle sich zu einem Stück Faden verdünnte.  
    Hin und wieder flogen Flugzeuge der Alliierten über das Gut hinweg. Manche Kinder schauten wie gebannt nach oben; Tommaso heulte und versteckte sich in seiner Buchsbaumhecke. Aus der Ferne konnte man die dumpfen Einschläge der Bomben hören, aber Belcanto blieb verschont.  
    Faustina, die gerade von einer Fahrt nach Florenz zurückgekommen war, strich sich das schlaffe glatte Haar aus dem Gesicht und warf sich in einen Sessel. Der Saum ihres Kleides war weiß von Staub. Es war das Ende eines heißen Tages.  
    »Es ist alles so schrecklich anstrengend«, erklärte sie. »Woher sollen wir hier draußen wissen, was Wahrheit und was Lüge ist? Woher sollen wir wissen, was wirklich los ist?«  
    Tessa goss zwei Gläser kühlen Weißwein ein und reichte eines Faustina. »Wie war es in Florenz?«  
    »Die ganze Stadt ist nervös. Man kommt sich vor wie auf einem Pulverfass. Vor ein paar Tagen hat es Unruhen gegeben. Maddalena verlässt so wenig wie möglich das Haus.«  
    »Wie geht es ihr?«  
    »Ihr und Luciella geht es gut. Aber sie macht sich natürlich Sorgen. Ihr Vater ist untergetaucht. Sie war dankbar für die Lebensmittel, die ich ihr mitgebracht hatte.« Faustina kramte in ihrer Tasche und zog ein zerknittertes Blatt Papier heraus, das sie Tessa reichte. »Die Flieger der Alliierten werfen diese Flugblätter über den Städten ab.«  
    Tessa las laut die Schlagzeile. » Raus mit den Deutschen   – oder Feuer und Stahl. «  
    »Wenn es nur so einfach wäre – du winkst der einen Truppe Lebewohl und der nächsten Willkommen.« Faustina lachte geringschätzig. »Und diese Haare!« Gereizt strich sie sich die Strähnen aus den Augen. »Ich schneide es jetzt einfach ab«, sagte sie trotzig und holte eine Nagelschere aus ihrer Handtasche.  
    »Faustina, das kannst du nicht machen.«  
    »Ach nein? Dann schau mir gut zu. Ich trage die Haare sowieso nur lang, weil Mutter der Ansicht ist, unverheiratete Frauen müssten lange Haare haben. Lächerlich. So etwas Altmodisches. Ich hätte sie schon längst absäbeln sollen.« Sie begann mit der Nagelschere an ihren Haaren herumzuschnippeln.  
    »Wenn du sie wirklich abschneiden möchtest, dann lass mich das machen«, sagte Tessa und hob die Hand nach der Schere. »Und bestimmt nicht mit diesem Ding.«  
    »Ist doch völlig egal. Ich sollte es mir einfach abrasieren, wie wir das bei den Läusekindern tun.«  
    Tessa holte einen Kamm und ihre eigene große Schere. Auf dem Weg durch die kühlen, dunklen Gänge zu ihrem Zimmer, dachte sie über das Flugblatt nach, das Faustina ihr gezeigt hatte. ›Raus mit den Deutschen   – oder Feuer und Stahl.‹ Die Bombardierungen von Turin, Genua und vielen anderen italienischen Städten hatten nur allzu deutlich gezeigt, was Feuer und Stahl anrichten konnten.  
    Tessa setzte Faustina auf einen Stuhl und kämmte ihr die Haare aus. »Du kannst es so kurz schneiden, wie du Lust hast«, sagte Faustina.  
    »Ich schneide es so, dass es gut aussieht. Erzähl mir, was du in Florenz gehört hast.«  
    »Massenhaft Gerüchte. Es hätte ein Putsch stattgefunden, oder in dieser oder jeder Stadt ermordeten die Kommunisten die Faschisten, oder Hitler hätte Selbstmord begangen. Schön wär’s.«  
    Faustina nickte nachdrücklich, und Tessa sagte: »Halt still, sonst sind die Haare am Ende auf einer Seite länger als auf der anderen.«  
    »Ist mir gleich.«  
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Tessa. »Warte nur, du wirst toll aussehen, wenn ich fertig bin. Dieses Zurückgekämmte hat dir nie gestanden – du hast eine zu hohe Stirn.«  
    »Weil ich so intelligent bin«, sagte Faustina selbstgefällig. »Du bist so eine Optimistin, Tessa. Ich glaube nicht, dass ein anderer Haarschnitt viel verändern wird.«  
    Tessa kämmte und schnippelte. »Gab’s sonst noch etwas Neues?«  
    »Ich war im Krankenhaus, um Mull und Verbandzeug zu holen, und ein paar Leute dort behaupteten, die Alliierten würden an der toskanischen Küste landen. Ist natürlich kompletter Blödsinn – weshalb sollen sie mit ihren Schiffen bis zur Toskana hinauf fahren, wenn sie doch nur die Straße von Messina zu überqueren brauchen? Und Guido –«  
    »Ja?« Die Schere stand still.  
    Guido war nach seiner Genesung nicht nach Nordafrika zurückgekehrt, man hatte ihn nach Bologna an eine

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