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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Schüler mitreißen. Und vielleicht gab es dort auch Arbeit für sie, ein paar Stunden im Büro vielleicht oder als Hilfe der Hausmutter. Denn auch sie konnte sich nur schwer an ihr neues Leben gewöhnen und kämpfte mit der Langeweile, während sie versuchte, ihre einsamen Tage mit Hausarbeit zu füllen. Seit Jahren hatte sie immer irgendwo in einem Büro oder einer Fabrik gearbeitet, sie war es nicht gewöhnt, so viel allein zu sein. Und sie hasste die Auseinandersetzungen, zu denen es immer öfter kam, wenn sie Lewis sagte, dass sie gern wieder arbeiten würde. Sein kalter Zorn machte ihr, wenn sie ehrlich war, ein wenig Angst, denn er verriet eine Seite von ihm, die sie bisher nicht gekannt hatte. In letzter Zeit passierte es ganz leicht, dass ein harmloses Gespräch in Streit ausartete. Du würdest dich nicht langweilen, sagte er, wenn du ein Kind hättest. Aber so weit bin ich noch nicht, entgegnete sie. Wann dann?, fragte er. Bald, sagte sie. Es war nicht so, dass sie kein Kind wollte, aber sie wusste, sie hatte es bei Tessa und Angelo gesehen, dass Säuglinge Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit brauchten, während sie und Lewis bisher nur ständigen Wechsel kannten.  
    Nun also die Schule. Die Ansammlung unscheinbarer Häuser lag auf dem Grund eines dunstigen Tals einige Kilometer außerhalb von Market Harborough. Ihre Unterkunft war nicht das idyllische Häuschen, das Freddie sich erhofft hatte, sondern ein kalte, enge Dachwohnung in einem der Häuser für die Schüler. Bei der Ankunft erfuhr Lewis, dass er neben Mathematik und Physik auch Sport unterrichten und die Rugby-Mannschaft trainieren musste. Ach ja, und dann komme noch etwas Religionsunterricht hinzu.  
    Er hielt zwei Trimester durch. Irgendetwas vergiftete die Atmosphäre an der Schule, etwas Undefinierbares, wie der Dunst, der über den Feldern hing. Der Schulleiter und sein Stellvertreter, die beide im Ersten Weltkrieg gedient hatten, mochte keine kleinen Jungen. Der Französischlehrer mochte sie ein bisschen zu sehr und lud seine Lieblinge gern zum Tee in sein Arbeitszimmer ein, wo er hellblonde Locken zauste oder auch einmal ein Knie tätschelte. Die anderen Lehrer waren Zyniker oder Trinker oder völlig ausgebrannt. Die Schule überlebte, weil die Gebühren niedrig waren und in den meisten Fällen schon die Väter der Schüler, Berufssoldaten oder Geschäftsleute, die im Ausland tätig waren, die Schule besucht hatten. Freddie hatte den Eindruck, dass sie sich nach dem Motto verhielten, warum soll’s dir besser gehen als mir .  
    Lewis fiel völlig aus dem Rahmen, weil er sich bemühte. Er stellte ein Rugby-Turnier auf die Beine und las abends sogar die Bibel, um zu wissen, wovon er redete, wenn er seine Religionsstunden hielt. Aber die graue Dumpfheit der Schule drückte ihn nieder. Er trank mehr, schlief schlecht. Er vertraute sich ihr nicht mehr an. Wenn sie versuchte, mit ihm zu reden, blaffte er sie an. Auch wenn er nicht ins heulende Elend verfiel wie der arme alte Barney, konnte sie zusehen, wie er allmählich alle Lebenslust verlor.  
    Mit ihrem Hochzeitstag hatte sich ein Muster herausgebildet, das sich aus enttäuschten Erwartungen und Misserfolgen zusammensetzte. Der Unterschied zwischen ihnen war, dachte Freddie, dass sie ihre Erwartungen in Zaum hielt, sie nicht in den Himmel wachsen ließ. Nach den Jahren endlosen Hin und Hers auf dem eisigen Atlantik, nach all der Angst und dem Schrecken hätte Lewis, fand er, mehr verdient gehabt als eine Folge schlecht bezahlter, unbefriedigender Arbeitsstellen. Es tröstete ihn nicht, dass Tausende anderer ehemaliger Soldaten den gesellschaftlichen Umbruch genauso deprimierend erlebten wie er. Sie konnte verstehen, dass er damit haderte, das hätte wahrscheinlich jeder getan, aber es kränkte sie, dass sie ihn nicht trösten konnte und er sich in seiner Enttäuschung vor ihr zurückzog. Sie liebte ihn immer noch, erinnerte sich noch an den Lewis, der im Pub für sie gesungen, der sie in ihrer Hochzeitsnacht in einem aquamarinblauen Zimmer geliebt hatte, aber manchmal ertappte sie sich bei der Frage, ob dieser zornige, grollende Lewis sie noch liebte oder je geliebt hatte.  
    In den Londoner Museen gab es Halsketten, die mehr als zweitausend Jahre alt waren, blaue Glasperlen im Wechsel mit Glasfischen und –fröschen und einer drallen blauen Glasfrau mit gefleckten Flügeln. Es gab eine Schale aus farbigen Glasbändern, die an die Gesteinsschichten eines Küstenfelsens erinnerten,

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