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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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    Sie küsste ihn auf die Wange und kehrte in den großen Salon zurück. Die Gesellschaft hatte sich gelichtet; es war nur noch ungefähr ein Dutzend Gäste da, und ein kurzer Blick genügte ihr, um zu sehen, dass Lewis sich nicht unter ihnen befand. Sie begann, ihn in den verschiedenen Räumen des Erdgeschosses zu suchen, ging dann ins Souterrain hinunter, wo in der Küche eine ältere Frau mit aufgerollten Ärmeln die Gläser spülte. Sie lief wieder nach oben, sah sich noch einmal um, entdeckte ihn nirgends.  
    Ein Gefühl, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen, überkam sie, als sie erkannte, dass er einfach gegangen war, ohne ihr Bescheid zu sagen. Unmöglich, sagte sie sich immer wieder, sie musste sich irren, so etwas würde er nie tun, gleich würde er erscheinen, auf die Uhr sehen, ungeduldig, zur nächsten Party weiterzuziehen. Aber er erschien nicht, und sie stand unschlüssig im Wohnzimmer und fingerte an den Steinen ihrer Halskette.  
    »Freddie?«  
    Jack war zu ihr getreten.  
    »Wo ist Lewis?«, fragte er.  
    »Ich weiß es nicht.« Sie lachte ein wenig. Hatte sich Lewis darüber geärgert, dass sie sich so lange mit Jack unterhalten hatte? »Er ist anscheinend gegangen.«  
    »Er ist gegangen?«  
    »Es scheint so.« Mehr fiel ihr nicht ein. Sie hatte nicht mehr die Kraft, Theater zu spielen.  
    »Wo wohnen Sie?«  
    Sie nannte ihm das Hotel.  
    »Könnte er dort sein?«  
    »Das glaube ich nicht. Sie kennen doch Lewis, wenn er einmal unterwegs ist, geht er so schnell nicht nach Hause.« In letzter Zeit allerdings hatte sie immer mehr den Eindruck gewonnen, dass sie Lewis überhaupt nicht kannte.  
    Sie sagte: »Er hat sich mit Denny unterhalten. Vielleicht sind sie zusammen irgendwohin gegangen.«  
    »Denny wollte sich mit Leuten im Criterion treffen. Wollen wir es da zuerst mal versuchen?«  
    »Sie brauchen nicht mitzukommen, Jack. Ich kann ein Taxi nehmen und ins Hotel fahren.«  
    Der Blick, mit dem er sie ansah, bereitete ihr Unbehagen. Als könnte er in sie hineinsehen, erkennen, dass ihr Leben aus den Fugen zu geraten drohte.  
    »Ich würde Lewis gern sehen und ein bisschen mit ihm quatschen«, sagte er leichthin. »Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«  
    Draußen winkte er einem Taxi. Auf der Fahrt zum Piccadilly versuchte Freddie, mit dem Schock und der Verletzung fertigzuwerden. Jack sprach über dies und jenes, und sie sagte ab und zu ja oder nein oder tatsächlich?, und die ganze Zeit dachte sie daran, dass Lewis einfach gegangen war, als bedeutete sie ihm nichts.  
    Im Restaurant Criterion, überall Gold und Mosaiken und geraffte Samtportieren, sprach Jack mit dem Ober und fragte nach Mr. Beckfords Tisch. Sie wurden zur Mitte des Raumes geführt. Und da saß Lewis mitten in einer Gruppe von Leuten, nicht weit von Denzil Beckford. Freddie war sprachlos, schwankte zwischen Zorn und Tränen und dem Verlangen, zu ihm hin zu laufen und irgendwie alles wieder gutzumachen. »Hallo, Freddie«, sagte Lewis, als wäre nichts geschehen, und dann: »Ach, sieh mal einer an, Jack Ransome.«  
    Zusätzliche Stühle wurden angeschleppt, Gedecke aufgelegt. Freddie beobachtete Lewis. Manchmal lächelte er, dann lachte er. Ihre Anspannung ließ nach. Sie erkannte, wie sehr sie in ihren Stimmungen von Lewis’ Launen abhängig geworden war. Sie hatte unter Hochspannung gestanden, seit der Schadenregulierer der Versicherung bei ihnen gewesen war – nein, vorher schon, seit dem Brand, oder seit Lewis ihr eröffnet hatte, dass die Firma vor dem Bankrott stand und Jerry verschwunden war.  
    Ein paar Gläser Wein, ein paar nette Gespräche, und ihre Stimmung hob sich, und wie durch ein Wunder wurde es einer jener Abende, an die man sich später mit den Worten erinnerte, Weißt du noch, als …? Alles würde gut werden, sagte sie sich. Sie sollte Lewis vertrauen und aufhören, Gespenster zu sehen. Es gab keinen Grund zur Sorge. Sobald das Geld von der Versicherung eintraf, konnten sie das Haus in Lymington verkaufen und wieder nach London ziehen. In London war Lewis immer glücklicher.  
    Ihre Gesellschaft verließ das Restaurant zuletzt. Es war Mitternacht, und als Lewis ihr in der Garderobe in den Mantel half, sagte er: »Ich habe Jack eingeladen, uns ein paar Tage zu besuchen. Er hat zugesagt. Das wird bestimmt nett, meinst du nicht auch, Freddie?«  
    Sie küsste ihn. »Ja, ganz bestimmt.«  
    Sie fuhren nach Lymington zurück. Das Haus wurde zum Verkauf

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