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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Green Park. Das Wetter war nicht sonderlich einladend, es war kalt und feucht, aber sie bemerkte es kaum. Sie musste nachdenken. Sie konnte nicht mehr klar denken, wenn Lewis dabei war. Sie musste sich beruhigen und aufhören, dauernd in Ängsten zu schweben. Nachdem sie eine Weile gelaufen war, setzte sie sich auf eine Bank. Lewis hatte ihr die Wahrheit gesagt, ganz bestimmt. Er hatte dem Sachverständigen erzählt, dass er kurz weg gewesen war, um die Briefe aufzugeben, das hatte er ihr selbst gesagt. Und eigentlich war es nur vernünftig von ihm gewesen, die schwierige finanzielle Lage der Firma nicht zu erwähnen. Wie er gesagt hatte, warum alles noch komplizierter machen?  
    Aber es half nichts, sie konnte das Unbehagen nicht abschütteln. Nicht nur der Brand oder selbst der Ton, in dem er mit ihr gesprochen hatte – Halt endlich den Mund, Freddie. Du hast doch keine Ahnung  – hatten sie erschreckt. Viel schlimmer war, dass sie keine Zukunft mehr für sich sah. Sie und Lewis hatten so oft von vorn angefangen, die Verheißung eines weiteren Neuanfangs hatte nach all den Fehlschlägen nichts Verlockendes mehr, und das bittere Gefühl der Ernüchterung war längst Bestandteil ihrer Ehe. Lewis teilte sich ihr nicht mehr mit, und sie vertraute ihm nicht mehr. Sie wohnten unter einem Dach, aber jeder lebte sein eigenes Leben. Ihre Ziele waren nicht die gleichen und ebenso wenig, fürchtete sie seit einiger Zeit, ihre Moralvorstellungen. Es bedrückte sie so sehr, dass sie kaum atmen konnte. Und sie war so müde – sie war es so müde, ständig zu versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen, immer so zu tun, als wäre alles in Ordnung.  
    Als sie ins Hotel zurückkam, war Lewis nicht im Zimmer. Sie ging nach unten, um nach ihm zu schauen, und fand ihn schließlich in der Bar.  
    Er stand auf, als sie hereinkam. Er war sichtlich verärgert. »Wo bist du gewesen?«  
    »Spazieren.«  
    »Verdammt lange. Du hättest mir Bescheid sagen können.«  
    »Du hast geschlafen.«  
    »Dann hättest du mir eben einen Zettel hinlegen können.«  
    »Daran habe ich nicht gedacht. Ich brauchte ein bisschen Zeit für mich, das ist alles.«  
    Er sagte kalt: »Möchtest du etwas trinken?«  
    »Nein, danke. Ich nehme jetzt ein Bad.«  
    »Ich habe Marcelle angerufen.«  
    Sie sah ihn an. »Ach?«  
    »Ja, sie sagte, dass sie heute Abend ein paar Leute da hat, und hat uns dazu eingeladen.«  
    »Ich habe keine Lust.«  
    »Ich habe schon angenommen.« Er sah sie scharf an. »Mein Gott, ein paar Drinks. Streng dich doch ein bisschen an.«  
    Sie bemerkte, dass die anderen Gäste sie beobachteten, und sagte müde: »Meinetwegen, wenn es sein muss.«  
    Oben ließ sie sich ein Bad einlaufen, kippte etwas Badesalz hinein. Ihre Finger waren blau angelaufen; sie hatte gar nicht gemerkt, wie kalt ihr war. Sie streckte sich im Wasser aus und fühlte die Angst kommen und gehen, in Wellen über sich hinwegfluten. Hatte sie sich jemals so verlassen gefühlt? Nach dem Unfall vielleicht, als Tessa so schwer krank gewesen war. Aber die Verlassenheit damals war anders gewesen – bei allen Trennungen, und es waren manchmal lange Trennungen gewesen, bei all den Geheimnissen, die Tessa vor ihr gehabt hatte, hatten sie einander doch stets verstanden. Sie und Lewis verstanden einander nicht mehr: Sie wusste nicht mehr, was er für sie empfand. Und liebte sie selbst ihn überhaupt noch? Wohl doch, sonst könnte er sie nicht so tief verletzen. Im warmen duftenden Wasser schloss sie die Augen und wäre am liebsten eingeschlafen, um alle Ängste zu vergessen und nicht mehr denken zu müssen. Aber das Wasser kühlte ab, und schließlich stieg sie wohl oder übel aus der Wanne, wickelte sich in ein Badetuch und ging ins Schlafzimmer.  
    Etwas wie Trotz überkam sie, als sie den Schrank öffnete und die Kleider musterte, die darin hingen. Sie hatte ihr Lieblingskleid mitgenommen, schwarz-weiß gestreifte Seide, mit schmaler Taille und einem weiten wadenlangen Rock. Sie hatte es im Frühjahr gekauft, als sie Geld hatten – oder Geld zu haben schienen : Vielleicht war das auch nur ein Trugbild gewesen. Sie hielt den Granatschmuck vor das Kleid und bewunderte den tiefroten Glanz der Steine.  
    Als sie am Toilettentisch saß und sich schminkte, kam Lewis. Er nahm sich ein frisches Hemd heraus, Manschettenknöpfe, dann musterte er sie.  
    »Findest du das nicht ein bisschen viel für eine Cocktailparty?«  
    »Was?«

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