Der italienische Geliebte (German Edition)
geht es Sie ja auch gar nichts an.«
Jack stand auf, hob eine Handvoll Steine auf und ging zum Wasser.
Sie sah sein im Wind flatterndes helles Haar und die lässige Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, als er die Steine flach über die Wellen tanzen ließ. Etwas in ihr schien zu bröckeln und einzustürzen, und sie stand auf und trat zu ihm.
»Ich fühle mich hier draußen nur manchmal so fürchterlich einsam.« Lange angestaut, brach es aus ihr hervor. »Manchmal hasse ich das alles. Alle reden immer davon, wie wunderbar es am Meer ist, und was für ein Glück wir haben, aber ich sehe das nicht, Jack.«
Er ließ die Steine fallen und nahm sie fest in den Arm. Er strich ihr über die Haare. Sie lehnte sich an ihn und fühlte sich endlich geborgen.
»Liebste Freddie«, sagte er, und sie meinte zu spüren, dass sein Mund ihr Haar berührte. Fragend blickte sie zu ihm auf. Da küsste er sie, und sie küsste ihn wieder, suchend und hungrig, während sie sich aneinanderdrängten, als wollten sie nie wieder loslassen und neben ihnen die Wellen zischend über die Steine strömten.
Sie löste sich als Erste. »Nein, Jack, das dürfen wir nicht«, sagte sie und wandte sich ab. Aber er hielt ihre Hand fest und zog sie erneut an sich. Sie küssten sich wieder, diesmal sanft und liebevoll, bis sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte und die Augen schloss.
»Freddie«, sagte er leise. »Ich wollte dir das schon viel früher sagen, aber dann habe ich jedes Mal gekniffen. Darum sage ich es dir jetzt. Ich weiß, es ist der dümmste Moment, du bist verheiratet, ich sollte den Mund halten, aber ich muss es dir sagen. Ich liebe dich. Ich glaube, ich habe dich von dem Moment an geliebt, als ich dich in Florenz vor dem Bahnhof stehen sah. Dieses ganze Gerede, ich hätte dich ausgesucht, weil du Engländerin warst und aussahst, als könntest du einen kühlen Kopf bewahren – nichts als Quatsch. Ich war vom ersten Moment an gefesselt – ich weiß nicht, ob es Sympathie war oder plötzliches Interesse. Aber ich glaube eher, es war Liebe auf den ersten Blick.«
»Jack«, flüsterte sie. »Bitte. Hör auf. Das geht nicht.«
Er fasste sie bei den Oberarmen und sah zu ihr hinunter. »Ich hätte kein Wort gesagt, wenn ich geglaubt hätte, du wärst glücklich. Aber ich habe dich die letzten Tage genau beobachtet, und du bist nicht glücklich, stimmt’s, Freddie?«
»Jack, bitte.« Sie hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht darüber reden. Genießen wir einfach den Tag.« Sie fühlte sich zu Tode erschöpft, den Tränen nahe und doch zugleich glücklich erregt, so lebendig wie schon lange nicht mehr.
Arm in Arm gingen sie weiter auf die Festung zu, hielten einmal an, weil Freddie ein paar Muscheln aufsammeln wollte, und einmal, um die Schuhe auszuziehen und die kleinen Steinchen darin auszuleeren und dann ausgelassen, außer Rand und Band, zum Meer hinunterzulaufen und im eiskalten Wasser zu planschen. Als sie dann auf dem Kies saß und ihm zusah, wie er herumalberte, begann sie, sich Fragen zu stellen. Er hatte gesagt, er liebe sie. Warum war plötzlich alles so anders, so neu belebt? Hieß das, dass auch sie ihn liebte? War es möglich? Sie erinnerte sich, wie stark sie sich damals, bei jenem ersten Kuss vor dem Bahnhof in Florenz, zu ihm hingezogen gefühlt hatte; sie erinnerte sich, wie sie auf ihrer abenteuerlichen Reise neben ihm im Auto erwacht war und ihn begehrt hatte. Sie erinnerte sich an den Abschied in Frankreich, und wie sie, mehr als ein Jahr später, im Dorchester mit ihm getanzt hatte. Sie hatte jedes Wort im Kopf, das sie miteinander gesprochen hatten, und jede Berührung. Das alles war in ihrem Gedächtnis eingeritzt wie die Spur eines Diamanten auf Glas. Als ich hörte, dass Sie Lewis Coryton geheiratet haben, war ich am Boden zerstört … Und im Dorchester hatte sie zu ihm gesagt: Sie haben bestimmt kein einziges Mal an mich gedacht , und er hatte sie mit einem Ernst angesehen, der sie verblüfft hatte. Stimmt nicht , hatte er ihr zur Antwort gegeben.
Auf dem Weg zum Auto und während der Rückfahrt nach Lymington sprachen sie beide nicht viel. Einmal beugte sich Jack zu ihr hinüber und drückte ihre Hand, aber sie hatte den Eindruck, dass er mit den Gedanken woanders war.
Als sie vor dem Haus anhielten, kam Lewis heraus.
»Ich fahre morgen, Freddie«, sagte Jack. »Ich kann jetzt nicht mehr bleiben. Das wäre nicht in Ordnung. Ich
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