Der italienische Geliebte (German Edition)
»Diese Kette.«
Wahrscheinlich hatte er recht. Freddie betrachtete sich im Spiegel. Die Steine waren übergroß und hatten in ihrem dunklen Feuer etwas Schwüles. Sie wirkten beinahe wie Talmi. Eine Mischung aus viktorianischer Prunksucht und Düsterkeit. Marcelle würde eine gediegene Perlenschnur tragen.
»Nein«, sagte sie kühl, »finde ich nicht.«
Im Taxi nach Chelsea sprachen sie kaum. Marcelles Haus hatte sich verändert, seit Freddie es das letzte Mal gesehen hatte, die Verwüstungen des Krieges waren beseitigt und übertüncht. Marcelle trug ein blassgrünes Kleid, eine Perlenkette und Perlenohrringe. Sie wurden mit großem Hallo und Küssen begrüßt. Eine Bedienung im schwarzen Kleid bot ihnen zu trinken an. Freddie sagte: »Sieh mal, Lewis, da ist Betty Douglas«, aber als sie sich nach ihm umdrehte, war er nicht mehr da. Sie beobachtete ihn, wie er von einer Gruppe zu anderen wechselte, lächelnd jetzt, die schlechte Laune vergessen, redend, lachend, voller Charme.
Stimmengewirr und Gelächter brachen sich an den hohen Zimmerdecken. Sie hatte hier früher schon Feste mitgefeiert, in den Tagen, als sie und Marcelle noch Freundinnen gewesen waren. Die Leute, in deren Kreis sie jetzt zufällig hineingeraten war, kannte sie nicht: ein Mann namens Alan Lockyear, der in Nordengland eine Landwirtschaft betrieb, eine Frau namens Pamela, der ein Modegeschäft gehörte, ihr Verlobter, Gus Morris, und schließlich George und Alexandra – den Nachnamen hatte Freddie wegen des Lärms nicht verstanden –, er groß, mit schütter werdendem Haar und rotem Gesicht und einem Hang zur Weitschweifigkeit, wenn man ihm nicht Einhalt gebot; sie schlank und attraktiv, mit heller sommersprossiger Haut und kastanienbraunem Haar, das am Hinterkopf in einer Rolle hochgesteckt war. Sie wirkte misslaunig, und ihr gelangweilter Blick schweifte unablässig durch den Raum.
Alan, Pamela und Gus verschwanden irgendwann, aber George erzählte ihr immer noch in allen Einzelheiten, was für Pläne er mit seinem Haus in Norfolk hatte. Es schien ein großes Haus zu sein – George erwähnte einen Ballsaal und Stallungen. Seine monotone Stimme hatte etwas Einschläferndes, und Freddie hörte bald nur noch mit halbem Ohr zu.
»Das Problem sind die Gesimse und der Stuck«, sagte George. »Heutzutage ist ja nirgends ein ordentlicher Handwerker aufzutreiben. Die Frage ist, ob wir gleich anfangen oder bis nach Roses Geburtstag warten. Marcia hat mir klipp und klar erklärt, dass wir zu ihrem einundzwanzigsten auf jeden Fall den Ballsaal brauchen.«
»Georgie«, unterbrach Alexandra gereizt, »Rose will ihren Geburtstag nicht feiern. Sie hat es mir selbst gesagt.«
»Sicher, Darling, sicher. Aber das tut hier nichts zur Sache.«
Rose , dachte Freddie, und hörte plötzlich wieder zu. Rose, Marcia, George und Alexandra. Und ein Haus in Norfolk.
»Haben Sie einen Bruder, der Jack heißt?«, fragte sie.
George zog die Brauen hoch. »Ja, habe ich. Er muss hier irgendwo sein. Kennen Sie ihn?«
Jack war hier. Ja, sie kenne ihn, sagte Freddie, die plötzlich große Sehnsucht hatte, ihn zu sehen. Sie bemerkte, dass Lewis sich mit Denzil Beckford unterhielt, ließ ihren Blick weiterwandern und erkannte ihn am hellen Haar.
Mit einer Entschuldigung zu George und Alexandra drängte sie sich durch das Gewühl. »Jack«, sagte sie.
Er drehte sich um. »Freddie!« Sie erinnerte sich an dieses Lächeln, amüsiert und mit einem Anflug von Übermut. Und an die blauen Augen und die Spur von Eitelkeit, die der gut sitzende Anzug und die italienische Seidenkrawatte verrieten. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden, registrierte alles, was sich verändert hatte und was nicht.
»Das ist wirklich eine Freude«, sagte er. »Wie geht es Ihnen, Freddie? Sie sehen wunderbar aus. Kann ich Sie nicht doch noch überreden, mit mir durchzubrennen?«
Zu ihrem Entsetzen sprangen ihr unversehens Tränen in die Augen. Sprachlos, mühsam blinzelnd stand sie da und brachte kein Wort heraus.
»O Gott«, sagte Jack. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah sie an. »Es tut mir so leid, Freddie. Kommen Sie, ich hole Ihnen noch etwas zu trinken.«
Als er zurückkam, hatte sie sich wieder im Griff. Er sagte: »Was bin ich für ein taktloser Idiot. Da quassle ich von Italien los… Sie haben an Ihre Schwester gedacht, nicht wahr? Hier, trinken Sie einen Schluck.«
Sie trank von dem Gin und ließ ihn
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