Der italienische Geliebte (German Edition)
Alibi, verstehst du? Ich musste möglichst weit weg sein, wenn alles in Flammen aufging.« Lewis lächelte. »Ich hätte nie gedacht, dass ich zu so etwas fähig wäre. Aber weißt du was, es war nicht halb so schlimm wie manches, was ich im Krieg tun musste. Ich meine, wenn ich zum Beispiel meine Freunde von oben bis unten mit Öl verschmiert und lichterloh in Flammen aus dem Atlantik ziehen musste. Das war schlimm.«
In den frühen Morgenstunden lag sie wach. Alles Mögliche ging ihr durch den Kopf. Sie war nicht wie Tessa, das wusste sie. Sie hatte es in dem Moment gewusst, als sie am Strand Jack Ransome geküsst hatte. Sie war seit Langem überzeugt, dass Tessas Liebhaber, Angelos Vater, ein verheirateter Mann gewesen sein musste. Manchmal passiert die Liebe einfach, hatte Tessa im Park der Villa Millefiore zu ihr gesagt. Sie hatte ihr damals nicht geglaubt. Aber vor einer Woche, am Hurst Strand, in diesen Momenten überwältigenden Glücks, hatte sie es selbst erlebt und wusste jetzt, was Tessa gemeint hatte. Doch es gab einen Unterschied: Tessa war ihrer Liebe gefolgt, hatte sich ihr mit Leib und Seele hingegeben. Und es war nichts als Tod und Zerstörung daraus gefolgt. Sie – Freddie – konnte nicht so handeln. Sie wusste nicht mehr, was besser oder schlechter war – Tessas Überzeugung, dass die Liebe wichtiger sei als alles andere, oder ihre eigene, dass sie an ihrer Ehe festhalten und dem Mann, den sie geheiratet hatte, trotz Verletzung und Täuschung treu bleiben musste. Aber sie hatte gar keine Wahl. Heimliche Treffen und gestohlene Stunden in einem Hotelzimmer, das war nichts für sie. Sie kannte sich zu gut, und deshalb würde sie aufgeben, wonach sie sich am meisten sehnte.
Die Telefonzelle war am Ende der Straße. Sie ließ sich mit Jacks Nummer in London verbinden. Während sie wartete, wünschte sie halb, er möge nicht zu Hause sein und sie könnte den Moment hinausschieben.
»Ihre Verbindung«, sagte die Frau von der Vermittlung, und dann hörte sie seine Stimme.
»Hallo?«
»Hallo, Jack.«
»Freddie. Wie schön, dich zu hören. Wie geht es dir?«
»Gut. Und dir?«
»Hervorragend.«
Doch in seinem Ton war etwas Fragendes, und sie machte sich hart und sagte: »Ich möchte nicht, dass du noch einmal hierherkommst, Jack. Bitte besuche uns nicht mehr.«
Stille, dann: »Wenn du mir böse bist wegen dem, was passiert ist –«
»Ich bin dir nicht böse. Aber es muss Schluss sein. Es gab ein paar Schwierigkeiten, und ich habe mich einsam gefühlt, aber mehr war es nicht. Es war nicht von Bedeutung. «
»Für mich schon.«
Sie stellte ihn sich in diesem Moment vor, verwirrt, mit einem ersten Gefühl von Schmerz und Verletzung, und sagte mit bewusster Kälte: »Es tut mir leid, wenn ich dir den falschen Eindruck vermittelt habe. Es war ein Irrtum, sonst nichts.«
»Ein Irrtum?«
»Ja.«
»Weißt du«, sagte er, und sie konnte beinahe sehen, wie er die Stirn runzelte, »ich habe in diesen paar Tagen viel darüber nachgedacht. Manchmal bin ich mir wie ein elender Schuft vorgekommen, der nicht davor zurückschreckt, die Frau eines Freundes zu küssen, aber immer wieder musste ich denken, dass du etwas Besseres verdienst, als eine missglückte Ehe.«
»Lewis und ich sind glücklich.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Das kann ich nicht ändern.« Sie war plötzlich zornig. »Was weißt du denn schon von uns? Was weißt du von mir ? Du tauchst hin und wieder in meinem Leben auf, wenn es dir gerade passt, bringst alles durcheinander und gehst wieder. Ich weiß fast nichts von dir, Jack. Ich habe nie dein Zuhause gesehen – wenn du überhaupt ein Zuhause hast –, ich kenne die Menschen nicht, die dir am nächsten stehen. Ich habe einmal nachgerechnet, wie viel Zeit wir miteinander verbracht haben und bin auf ungefähr eine Woche gekommen. Glaubst du im Ernst, ich würde Lewis für jemanden verraten, den ich gerade mal eine Woche kenne?«
»Ich werde dir sagen, was ich glaube, Freddie.« Seine Stimme war ruhig und fest. »Ich glaube, dass es so nicht funktioniert. Man kann Liebe nicht auf eine mathematische Formel reduzieren. Manchmal weißt du nach einer Stunde, dass du jemanden liebst. Und manchmal bist du mit jemandem zehn Jahre zusammen und entdeckst eines Tages, dass es vorbei und nichts mehr übrig ist.«
»Das ist doch nichts als romantischer Quatsch«, entgegnete sie scharf. »Bilde dir ja nicht ein, du kannst
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