Der italienische Geliebte (German Edition)
wäre Milo.«
Er lachte. »Du hast ausgesehen wie eine heidnische Göttin mit deinem wilden schwarzen Haar, der blassen Haut und diesen glühenden grünen Augen.«
Sie griff über den Tisch und nahm seine Hand. »Ich war immer gern draußen in der Natur. Vielleicht hat mich dieses häusliche Leben in der Alten Mühle auf die Dauer ein bisschen in den Wahnsinn getrieben.«
»Denkst du noch an ihn?«
»An Milo? Nein, kaum. Habe ich dir erzählt, dass ich ihn vor einiger Zeit zufällig hier in London getroffen habe? Er hat jetzt zwei Töchter. Helen und Laurabeth.« Rebecca krauste die Nase. »Ich vermute, die Laurabeth ist auf Monas Mist gewachsen. Milo fand selbst gebastelte Vornamen immer fürchterlich. Ich muss lachen, wenn ich ihn mir als Familienvater vorstelle.«
»Du bist eine Schlimme, Rebecca.« Er drehte ihre Hand in der seinen und streichelte mit dem Daumen ihre Innenhand. Sie fühlte die trockene Wärme seiner Haut, die kleinen Verletzungen und die Schwielen, die sie von ihren eigenen Händen kannte.
Er sagte: »Glaubst du, dass ich mindestens hundertmal versucht habe, dich zu zeichnen, und es nie ganz richtig hingekriegt habe? Deine Stirn hat eine Wölbung, die ich vergessen hatte, und diese kleinen Mulden an deinen Mundwinkeln auch. Ich müsste dich sehr lange und intensiv betrachten, um dir so nahe zu kommen, dass ich dich zeichnen kann.«
Es ging, dachte sie, gerade etwas Wunderbares vor, eine Veränderung, eine Verwandlung, von der sie nicht zu träumen gewagt hatte.
»Glaubst du?«
»Ja, weil deine Schönheit mich so ergreift, verstehst du.«
»Ach, Connor.« Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich bin alt und müde. Ich war einmal schön, aber jetzt bin ich es nicht mehr.«
Er schüttelte den Kopf. »Du warst damals schön und du bist es heute. Und du wirst auch in zehn oder zwanzig Jahren noch schön sein. Das weiß ich. Wenn ich alles niedergeschrieben hätte, was ich dir in den Jahren unserer Trennung sagen wollte, wären meine Briefe endlos geworden. Ich liebe dich, Rebecca, und ich möchte dich bei mir haben, wenn ich morgens aufwache. Und wenn ich nachts erwache, möchte ich nach deinem Gesicht suchen. Ich mag nicht mehr allein sein und ich mag nicht mehr von dir getrennt sein. Ich möchte immer mit dir zusammen sein. Ich weiß nicht, wie wir es hinkriegen werden, ich mit meiner Frau und dem Sohn, und du mit deinem Mann, ich mit meinen Steinen und du mit deinem Glas, aber das wünsche ich mir. Und du, wäre das vielleicht auch dein Wunsch?«
»Ja«, sagte sie. »Ja, Connor.«
Freddie und Lewis verließen Lymington im Sommer 1949. Sie hatten Käufer für das Haus gefunden, und Lewis war bei einem Unternehmen in Croydon untergekommen, das in der Luftfahrttechnik tätig war. Die ganzen letzten Monate in Lymington, hatte Freddie in ständiger Angst vor dem Klingeln an der Tür, dem Läuten des Telefons gelebt, vor dem Moment, da die Vergangenheit – in Gestalt der Polizei, der Versicherungsgesellschaft, Frank Kites – sie einholen würde.
Sie mieteten eine kleine Wohnung in St. John’s Wood. Freddie begann in einer Kunstgalerie in der Cork Street zu arbeiten. Der Galerist, Caspar de Courcy, trug Samtjacken und gepunktete Fliegen, und er war ein Schlitzohr. Sein Freund Tony, mit dem er in der Wohnung über der Galerie lebte, hatte in einem Gespräch mit Freddie ausgeplaudert, dass er ihr nur halb so viel bezahlte wie ihrem Vorgänger. Mr. de Courcy war unsicher gewesen, ob er Freddie als Assistentin engagieren sollte (er finde Männer zuverlässiger, sagte er), doch als Freddie erwähnte, dass sie Gerald Nicolsons Tochter war, bekamen Mr. de Courcys Augen einen gierigen Glanz. »Sie besitzen nicht zufällig noch Arbeiten von ihm?« Leider nein, sagte sie. Ihre Mutter hatte alle in ihrem Besitz befindlichen Bilder verkauft, um Kleidung und Schulbildung ihrer Töchter bezahlen zu können. Tessa hätte es sich in der Hochzeit ihrer Karriere als Fotomodell vermutlich leisten können, dies oder jenes Bild ihres Vaters zu kaufen, aber sie hatte es nicht getan. Vielleicht waren ihr Gerald Nicolsons Jähzorn und Sarkasmus noch zu gegenwärtig gewesen, als dass sie an sie hätte erinnert werden wollen.
Mr. de Courcy engagierte sie trotzdem. Die Gemälde ihres Vaters waren, wie Freddie feststellte, in den Jahren nach seinem Tod an Wert gestiegen, und Mr. de Courcy hatte einen Hang zu kindischen Prahlereien. Ein paarmal hörte sie, wie er einem
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