Der italienische Geliebte (German Edition)
Flurtischchen war aufgelegt. Durch die Tür von Milos Arbeitszimmer hörte sie gedämpft seine Stimme. Er hatte den Anruf auf den Nebenanschluss gelegt. Rebecca horchte angestrengt, aber sie konnte nicht verstehen, was er sprach.
Sie klopfte. »Möchtest du Kaffee, Milo?«
Er machte auf. Sie sah, dass er den Hörer aufgelegt hatte. »Gern«, sagte er.
»Wer war das?«
»Nur einer meiner Studenten.« Er ging wieder in sein Arbeitszimmer. Sie sah, wie er sich über den Schreibtisch beugte und etwas aufschrieb.
In der Küche setzte sie das Wasser auf und wartete, an den Spültisch gelehnt. Das Wetter hatte umgeschlagen, es war kälter geworden, und Regen fiel in dunklen Klecksen auf den Gartenweg.
Milo hatte den Anruf im Flur entgegengenommen und sich dann in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, um das Gespräch zu führen. Ich kenne dich, dachte sie. Ich weiß, dass du mich belügst.
Milo war nie ein Frühaufsteher gewesen. Immer war Rebecca als Erste auf den Beinen, machte Tee für beide und trug ihn ins Schlafzimmer hinauf. Als sie an diesem Montag mit dem Tablett nach oben kam, war Milo schon im Bad. Sie hörte das Wasser rauschen.
Sie schenkte den Tee ein und stellte ihm eine Tasse auf den Nachttisch.
»Du bist früh auf«, sagte sie, als er wieder ins Zimmer kam.
»Ich muss zum Zug.« Er frottierte sich die Haare.
»Wohin fährst du?«
»Nach London. Habe ich dir das nicht gesagt? Ich bin mit Roger zum Lunch verabredet. Es geht um die Gedichte.«
Rebecca wurde sofort hellhörig. »Ich dachte, das wäre alles besprochen.«
»Nicht ganz.« Er hatte den Morgenrock abgelegt und stand vor seinem Kleiderschrank. »Es gibt noch ein paar Probleme. Mit der Gestaltung… Fragen zum Text. Es ist lästig, aber wenn wir heute alles klären können, hat sich die Mühe gelohnt. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich den Wagen nehme?«
»Nein, natürlich nicht.« Sie fand ihren Ton gekünstelt. »Ich wollte eigentlich Tennis spielen, aber Glyn kann mich ja abholen.«
»Es ist sowieso kein Tenniswetter.«
»Dann lass ich’s vielleicht.«
Rebecca trank ihren Tee, während Milo sich ankleidete. Grauer Maßanzug, weißes Hemd von T.M. Lewin, blaue Seidenkrawatte. Er sah weder vergnügt noch erwartungsfroh aus – eher nervös. Vielleicht sagte er ja die Wahrheit.
Vor dem Spiegel fuhr er sich mit der Hand durch das feuchte dunkelblonde Haar.
»Wie sehe ich aus?«
»Tadellos.« Sie lächelte süß.
Später hörte der Regen auf, und Glyn holte sie doch noch zum Tennis ab. Wieder zu Hause, machte sich Rebecca frisch und zog sich um. Sie war allein im Haus, Mrs. Hobbs war nach Hause gegangen, um ihrem Mann das Mittagessen zu machen. In Milos Arbeitszimmer sah sie die Unterlagen auf seinem Schreibtisch durch, öffnete die Schubladen, konnte aber sein Adressbuch nicht finden. Vielleicht hatte er es mitgenommen. Sie atmete einmal tief durch, dann hob sie den Telefonhörer ab. Sie fühlte sich beinahe erleichtert, als sie die Vermittlung wählte und um eine Verbindung mit Milos Verlag bat.
Milo nahm den Zug um 16 Uhr 10 zurück nach Oxford. Im Speisewagen bestellte er einen Whisky. Die rußgeschwärzten Klinkerhäuser an der Eisenbahnlinie zogen verschwommen an den regennassen Scheiben vorbei. Als er den ersten Whisky getrunken hatte, waren die Häuserreihen hinter Dörfern und senfbraunen Stoppelfeldern zurückgeblieben.
Tessa hatte ihn am Abend zuvor angerufen – zu Hause! –, um ihm zu sagen, dass sie ihn unbedingt sprechen müsse. Sie hatte ihm nicht erklären wollen, worum es ging, aber sie hatte darauf bestanden, dass er nach London kam, und dann hatte er das Gespräch wegen Rebecca abbrechen müssen. Heftig beunruhigt und von allen möglichen Schreckensbildern bedrängt, hatte er schlecht geschlafen.
Beim Mittagessen in einem kleinen Restaurant in Soho hatte Tessa ihm eröffnet, dass sie ein Kind erwartete. Sie hatten nur eine Stunde miteinander – sie musste den ganzen Tag arbeiten –, und in der Küche war ein Riesenkrach, sodass er zunächst glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ein Kind ?«, wiederholte er, und sie sagte: »Ja, Milo, ich erwarte ein Kind. Dein Kind.«
»Bist du sicher?«, fragte er.
Einen Moment wurde ihr Gesicht kühl, dann sagte sie ruhig: »Sicher, dass ich ein Kind erwarte, oder sicher, dass es von dir ist? Ich kann nur zu beidem Ja sagen.«
Er nahm ihre Hände und hielt sie fest,
Weitere Kostenlose Bücher