Der italienische Geliebte (German Edition)
während der Kellner die Suppe servierte. Als der Mann gegangen war, sagte er: »So habe ich das nicht gemeint. Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe.«
»Ja. Tut mir leid.« Sie hatte Tränen in den Augen.
Er zündete ihnen beiden eine Zigarette an. »Wie lange weißt du es schon?«
»Ein, zwei Monate.«
Ein, zwei Monate . Hieß das – er hatte in diesen Dingen keine Erfahrung –, dass es schon zu spät war, um etwas zu unternehmen? Mit trockenem Mund fragte er, wann der Geburtstermin sei.
»Irgendwann im Dezember, glaube ich – oder vielleicht ist es auch Januar.«
Ihre Unbekümmertheit hatte ihm immer gefallen, aber in diesem Moment ärgerte es ihn, dass sie etwas so Entscheidendes auf die leichte Schulter nahm. Doch dann bemerkte er den Ausdruck ihrer Augen und sagte: »Armer Schatz.« Angst bei Tessa kannte er nicht.
Sie konnten beide kaum etwas essen. Als die Stunde um war, brachte er sie zum Fotostudio zurück. Auf der Straße küssten sie sich, aneinander geklammert wie Ertrinkende.
Milo ging in die Bibliothek im Britischen Museum. Er hoffte, die vertraute Stille, die gedämpften Schritte und der Geruch der Bücher würden beruhigend wirken. Stattdessen wurde ihm jetzt die Situation erst richtig bewusst, und sein Entsetzen wuchs. Ein Kind. Er hatte nie Kinder haben wollen, und es war ihm recht gewesen, dass Rebecca nicht schwanger geworden war. Unerwarteter Stolz auf seine Leistung ging in der Angst vor Rebecca unter, die ohnehin schon misstrauisch war. Ein Kind verheimlichen, wie sollte das gehen? Und er würde es verheimlichen müssen, wahrscheinlich sogar sein Leben lang.
Das schlechte Gewissen und eine Ahnung, dass er zu Hause vielleicht ein Alibi brauchen würde, trieben ihn aus der Bibliothek direkt in ein Taxi nach Hatton Garden, Londons bekanntem Schmuckviertel. Danach fühlte er sich besser gewappnet für die Heimfahrt – ja, er sehnte sich jetzt nach zu Hause. Natürlich liebte er Tessa – er liebte sie verzweifelt. Bei ihrem Gespräch war ihm einen Moment der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht erwartete, er würde sich von Rebecca scheiden lassen, um dann sie zu heiraten. Aber als er vorsichtig diese Möglichkeit erwähnte, hatte sie gelacht und gemeint: »Du meine Güte, Milo, das ist nun weiß Gott nicht nötig.«
Ihre Antwort rief gemischte Gefühle hervor: Gekränktheit, dass sie die Vorstellung einer Ehe mit ihm so lächerlich fand, und Erleichterung, dass ihm ein Gespräch mit Rebecca erspart bleiben würde. »Aber du musst mich dir wenigstens helfen lassen«, sagte er und drückte ihre Hand.
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Problem, Milo. Es ist allein meine Angelegenheit. Ich wollte dir zuerst gar nichts sagen. Ich hatte Angst, du würdest böse werden. Ich bin so froh, dass du keine Szene gemacht hast, Darling. Danke dir.«
Aber obwohl er das Richtige gesagt hatte und sie ohne Unstimmigkeiten auseinandergegangen waren, verspürte er bei allem Mitgefühl mit ihr unterschwelligen Groll. Er hasste Komplikationen. Natürlich konnte man vorbringen, dass eine außereheliche Affäre an sich schon eine schwerwiegende Komplikation war, aber mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Zumal es nicht so war, dass er an Verhütung nicht gedacht hätte. Im Gegenteil, als er das erste Mal mit Tessa ins Bett gegangen war, hatte er sie ausdrücklich danach gefragt, und sie hatte ihn beruhigt. Selbstverständlich wäre er vorsichtig gewesen, wenn er auch nur den leisesten Zweifel gehabt hätte; dass er sich auf Tessa verlassen hatte, die schließlich eine erfahrene Frau war, konnte man ihm nicht zum Vorwurf machen. »Ich habe es wohl vergessen«, hatte sie in dem Gespräch beim Mittagessen gesagt und dabei die Nase gekraust, als ginge es um einen im Taxi liegengelassenen Regenschirm.
Intensität und Anspannung waren Milo recht, aber Aufruhr und Umbruch konnte er nicht gebrauchen. Er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er zum Schreiben ein ruhiges, zuverlässiges Klima brauchte. Bei der Arbeit an seinem neuen Buch saß er gerade an einer kniffligen Stelle fest, und er hatte das ungute Gefühl, dass seine Idee, sich als Lyriker zu versuchen, ein Fehler gewesen war. Er wusste, dass er für Tessa weit mehr empfand als je für Annette Lyle oder die anderen, dennoch konnte er nicht umhin, die Beziehung zu ihr jetzt infrage zu stellen. Die Situation überforderte ihn. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte die Kontrolle
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