Der italienische Geliebte (German Edition)
zu legen, von ihm in die Arme genommen zu werden und sich beteuern zu lassen, dass alles gut werden würde, dass er sie noch immer liebte und immer lieben würde.
Dienstag: Sie hasste ihn. Seine Art, sich zu bewegen, seine Art zu sprechen, die Willensschwäche, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Sie verabscheute alles an ihm.
Sie behielt ihre Wut für sich bis zum Nachmittag, als Mrs. Hobbs gegangen war. Sie richteten sich bei der Demontage ihrer Ehe, dachte sie mit bitterem Spott, nach den Arbeitszeiten ihrer Putzfrau.
»Ich möchte alles wissen«, sagte sie. »Du wirst mir jetzt alles sagen. Ist sie schön? Wie sieht sie aus? Ist sie jung?«
Sie saßen beim Mittagessen, das Mrs. Hobbs für sie zubereitet hatte. Aber sie aßen beide nicht.
»Was soll das helfen?«, fragte er dumpf.
»Es soll gar nicht helfen, Milo. Weshalb sollte ich helfen wollen? Im Gegenteil, ich möchte, dass du leidest.« Sie legte ihr Besteck aus der Hand. »Wie alt ist sie? Das ist doch eine einfache Frage. Die wirst du mir wohl beantworten können.«
»Zweiundzwanzig«, sagte er.
Zweiundzwanzig. »Guter Gott. Als Nächstes wirst du dich an Schulmädchen vergreifen.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Wie sieht sie aus?«
Seine Hand zuckte. »Ich weiß nicht –«
»Aber natürlich weißt du es. Du warst doch mit ihr im Bett, oder nicht? Oder schaust du sie dabei nicht an?«
Er wurde rot. »Deswegen brauchst du noch lange nicht ordinär zu werden.«
»Ach nein? Blond, rot, brünett – das muss dir doch aufgefallen sein.«
»Zwischen blond und braun. Honigfarben.«
»Honigfarben«, wiederholte sie sarkastisch. »Wie poetisch. Und die Augen?«
»Grün«, murmelte er. »Sie sind grünbraun.«
»Ist sie schön?«
Einen Moment blieb er stumm, dann sagte er kurz: »Ja. Sehr.« Er hob den Kopf und blickte ihr in die Augen. »Ich weiß nicht, warum du das tust. Ich weiß nicht, warum du das tun willst. «
»Ich will nicht.« Ihre Stimme war brüchig. »Ich muss. Ich muss es wissen.«
Dann stellte sie geräuschvoll die Teller zusammen und trug sie in die Küche. Sie schabte das kaum angerührte Essen in den Mülleimer. Honigfarben. Grünbraun. Ein paar Karotten fielen neben dem Eimer auf den Boden. Sie knallte die Teller auf die Steinfliesen und sah zu, wie sie in Stücke sprangen.
Mittwochmorgen: Sie nahm den Hund und machte einen Spaziergang. Sie ging eine große Runde zu den Hügeln hinauf, weil sie niemandem begegnen wollte, den sie kannte. Ihre Schuhe rutschten auf dem matschigen Weg zu den windigen Höhen. Sie erinnerte sich, wie sie damals, kurz nachdem sie die Alte Mühle gekauft hatten, mit Milo hier gewandert war. Wie er vorausgelaufen war und oben auf dem Gipfel mit triumphierendem Winken auf sie gewartet hatte. Der Name ›Herne Hill‹ war ihm auf der Karte aufgefallen, und sie waren weitermarschiert, bis sie den Ort gefunden hatten. Sie hatte gewusst, dass er versuchte, die alten Geschichten zu lesen, die unter den Gräsern und Glockenblumen geschrieben standen.
Jetzt ging sie wie eine Blinde, ohne Karte. Die sanfte Wellenbewegung der Hügel hatte keine Bedeutung für sie. Die Dörfer in den Tälern schienen über der Erde zu schweben, unwirklich, unverankert. Unversehens kam ihr der Gedanke, dass sie es war, die das erbärmliche Leben führte und nicht Meriel, die arme Meriel , deren Verlobter im Krieg gefallen war, die nie mit einem Mann geschlafen hatte und einer hoffnungslosen Pennälerliebe zum Schularzt nachhing. Das war wenigstens ein ehrliches Leben. Rebecca hingegen, die arme, törichte Rebecca, die sich eingebildet hatte, vom Glück gesegnet zu sein, lebte eine Lüge.
Als ihr kalt wurde, stieg sie zur Hauptstraße ab. Am Straßenrand blieb sie stehen und zündete sich eine Zigarette an, die Hand um die Flamme des Streichholzes gekrümmt. Ein Kind, dachte sie, und mit ihr hatte er nie eines gewollt. Tränen schossen ihr in die Augen. Milo hatte einen Sohn und sie hatte nichts. Ihr imaginäres Kind, Archie oder Oscar, würde immer nur in ihrer Phantasie leben.
Ein Auto, ein grüner Humber, hielt neben ihr an. Die Fahrertür wurde geöffnet, ein Mann sagte: »Entschuldigen Sie, ist das die Straße nach Oxford?«
Rebecca stieß den Rauch ihrer Zigarette aus. »Nein, Sie sind wahrscheinlich irgendwo falsch abgebogen.«
»Diese kleinen Landstraßen sehen alle gleich aus. Können Sie mir denn sagen, wie ich fahren muss?«
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