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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ich müsste das Kind lieben, aber das tue ich nicht. Zum ersten Mal in dieser langen qualvollen Woche empfand sie ein gewisses Maß an Triumph.  
    Am Montagvormittag hatte Rebecca einen Anprobetermin bei ›Chez Zélie‹ in Oxford. Noch schwach von der schweren Migräne ließ sie sich von Milo in die Stadt fahren. Er würde etwas arbeiten, während sie die Anprobe hinter sich brachte und Einkäufe erledigte. Danach, schlug er vor, könnten sie zusammen zu Mittag essen. Er würde in ihrem Lieblingsrestaurant einen Tisch bestellen. Er gab sich wirklich Mühe.  
    Als sie Oxford erreichten, setzte der Regen ein und wurde im Lauf des Vormittags immer dichter. Ein brauner Bach, in dem Zigarettenkippen und Bonbonpapierchen schwammen, wälzte sich durch die Gossen. Es tat gut, sich gewohnten Alltäglichkeiten zu überlassen, eine wenigstens scheinbare Normalität zu genießen. Bei Zélie sah sie sich Stoffe an, machte dann einen Einkaufsbummel, setzte sich in ein Café. In einem Zeitschriftengeschäft ließ sie ihren Blick über die Ständer gleiten, bis sie die Vogue fand. War sie das, da auf der Titelseite? Nein, die Frau hatte dunkles Haar und blaue Augen.  
    Um zwanzig vor zwölf ging sie die St. Michael’s Street hinunter zu ihrer Verabredung mit Milo. Die Trottoirs waren voller Menschen, Schirme wippten wie schwarze Pilze im Regen. Als sie um eine Menschenschlange vor einem Zeitungskiosk herumging, sah sie an der Ecke zum Cornmarket Milo stehen.  
    Er war im Gespräch mit einer jungen Frau. Rebecca erstarrte. Als die junge Frau sich abwandte, um zu gehen, sah Rebecca flüchtig helles Haar und erkannte Grace King. Sie hatten sich keinen Abschiedskuss gegeben, hielt sie sich vor, hatten einander nicht berührt. Miss King hatte jetzt die Straße überquert und ging die Ship Street hinauf. Milo sah ihr nicht einmal nach.  
    Aber wenn nicht sie, dann eine andere. Wenn nicht Tessa Nicolson oder Annette Lyle oder Grace King, dann eine andere. Sie würde sich niemals in Sicherheit wiegen können. Ihre ganze zerstörerische Wut drängte plötzlich wieder nach oben und floss über.  
    Mit einem Ruck machte sie kehrt und ging den Weg zurück, den sie gerade gekommen war. An der nächsten Telefonzelle klappte sie ihren Schirm zusammen und trat ein.  
    Sie hob ab und bat die Vermittlung, sie mit Highbury 259 zu verbinden.  
    Rauschen und Knacken, dann sagte jemand: »Tessa Nicolson. Hallo?«  
    Im Hintergrund war Babygeschrei zu hören. Rebecca sagte: »Ich glaube, Sie kennen meinen Mann, Milo Rycroft. Ich nehme an, er hat Ihnen gesagt, dass er Sie in Zukunft nicht mehr sehen wird. Aber vielleicht hat er es auch nicht getan – er war immer schon feige.«  
    Eine Sekunde blieb es still, dann fragte Tessa Nicolson: »Mrs. Rycroft?«  
    »Ich rufe an, weil ich finde, Sie sollten wissen, dass er sich neu orientiert und etwas anderes aufgetan hat. So ein kleines Flittchen in Oxford.«  
    »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Tessa Nicolson.  
    »Nein? Nun, sie heißt Grace King. Sie wohnt in der Woodstock Road. Fragen Sie sie doch selbst, wenn Sie mir nicht glauben.« Rebecca lachte. »Es wird Zeit, dass Sie einsehen, Miss Nicolson, dass Milo ein Mann ist, der immer Seitensprünge machen wird. Es ist seine Natur.«  
    Tessa legte den Hörer auf. Das Läuten des Telefons hatte Angelo geweckt, der erkältet war. Sie nahm ihn aus dem Korb und drückte ihn an ihr hämmerndes Herz.  
    Mit dem Kind im Arm setzte sie sich aufs Sofa. Sie fror, als hätte sie einen Kälteschock erlitten. Rebecca Rycroft wusste Bescheid. Wie lange schon? Tessa versuchte zurückzudenken. Es war fast einen Monat her, dass sie Milo das letzte Mal gesehen hatte. Und bestimmt eine Woche – vielleicht auch zehn Tage –, seit er geschrieben oder angerufen hatte. Was war passiert? Wann hatte Milos Frau es erfahren? Und warum hatte er ihr – Tessa – nichts davon gesagt?  
    Angelo hatte sich wieder beruhigt und sie legte ihn in sein Körbchen zurück. Im Flur hockte das Telefon auf dem Tisch wie eine schwarze Kröte. Es war Montag, da arbeitete Milo immer in Oxford. Tessa nannte der Vermittlung die Nummer in Oxford. Sie hörte das Freizeichen.  
    Ich nehme an, er hat Ihnen gesagt, dass er Sie in Zukunft nicht mehr sehen wird. Aber vielleicht hat er es auch nicht getan   – er war immer schon feige. Saß er jetzt an seinem Schreibtisch und wartete darauf, dass das Telefon aufhören würde zu läuten, weil er Angst hatte abzuheben? Hatte er seiner

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