Der Jadereiter
wir beide sollten uns unterhalten, bevor das FBI wieder überreagiert. Sie machen sich vermutlich keine Vorstellung davon, was für einen Preis man im Land der Freiheit für den Erfolg zahlt. Man wird zur leichten Beute für Kleinbürokraten, die die Chance auf eine Beförderung wittern. Ich habe bereits ein paar Leute in Washington auf die Sache angesetzt; vermutlich wird Special Agent Jones nicht mehr allzu lange hier in diesem Königreich bleiben.«
Er dirigiert mich in den vorderen Teil des Geschäfts, zum Schaufenster, das auch von innen durch ein Gitter geschützt ist, gibt einen Code in ein Gerät an der Wand ein, drückt auf einen Knopf, und das Gitter geht hoch. Es ist, als sähe man einer schönen Frau beim Ausziehen zu. Die alte Jade schimmert im Licht, und zum erstenmal erkenne ich, vermutlich beeinflußt durch Warrens Gegenwart, die Genialität des Einfalls, den Stein modern in Silber oder Gold zu fassen.
»Das sind Ihre Ideen«, sage ich. Jetzt, da ich eine Ahnung seines Geistes erhascht habe, begreife ich auch seine Kunst.
»›Ideen‹ ist der richtige Ausdruck. Ich mache kaum noch selbst Entwürfe; ich habe Leute, die das besser können als ich. Aber ein Handwerker ist nicht notwendigerweise ein Künstler. Er braucht dieses gewisse Etwas, das aus dem kalten Herzen des Universums kommt.« Lächelnd nimmt er eine schwere Jadekette in die Hand. Die Jade ist zu großen Kugeln von etwa eineinhalb Zentimetern Durchmesser verarbeitet. »Die gehörte Barbara Hutton«, sagt er ganz sachlich. »Na ja, eigentlich ist sie durch viele Hände gegangen. Henry hat sie bei seiner Flucht aus der Verbotenen Stadt mitgenommen, sie Koo verkauft, die sie an ihre beste Freundin Edda Ciano veräußerte. Edda verkaufte sie der armen Barbara, die sie im Jahr vor ihrem Tod mir überließ. Damals war sie so mit Drogen vollgepumpt, daß sie sie mir für einen Dollar gegeben hätte, aber ich habe ihr den Marktpreis dafür gezahlt.«
Fatima hat sich mittlerweile zu uns gesellt, offenbar angelockt durch die Kette. Warren hebt fragend eine Augenbraue und streckt dann die Hand aus, um ihr die Perlenkette vom Hals zu nehmen. Ich sehe seine Professionalität, die Hände, mit denen er die Königinnen und Prinzessinnen dieser Welt geschmückt hat. Er geht mit den Perlen um wie mit ihrem Körper – unendlich zärtlich –, bettet sie auf ein Samtkissen im Schaufenster und gibt mir dann völlig unerwartet die Jadekette. Sie wiegt schwer wie eine Sammlung Miniaturkanonenkugeln in meiner Hand, als ich sie Fatima um den Hals lege. Ich trete einen Schritt zurück, um sie zu bewundern: Sex, Geld, Paranoia und tausend Bluffs glitzern im Licht der Lampen.
»Grün ist nicht deine Farbe, mein Schatz«, sagt Warren, holt sein Zigarettenetui aus der Tasche, zieht eine Zigarette heraus, klopft sanft den Tabak fest, steckt sie in die Spitze, zündet sie an, inhaliert und tritt ebenfalls einen Schritt zurück, wie er es wohl schon bei Tausenden von Frauen getan hat. Jetzt wirkt sein Gesicht wieder undurchdringlich, und Fatima scheint einen Augenblick lang so etwas wie Angst zu empfinden. »Natürlich sieht sie um deinen Hals phantastisch aus, wie alles, was du trägst, aber nichts steht dir so gut wie Perlen. Was meinen Sie, Detective?«
Ich muß ihm zustimmen. Die Jade ist wunderschön, doch sie bietet nicht den atemberaubenden Kontrast zu ihrer schokoladenbraunen Haut wie die Perlen. Als ich sie ihr wieder anlege, merke ich, wie sehr sie mir an ihrem Hals gefehlt haben. Die Wirkung ist insofern einzigartig, als daß man sich nie ganz an ihren Anblick gewöhnt. Wenn man die Augen einen Moment abwendet und sie dann wieder darauf richtet, hat man das Gefühl, sie zum erstenmal zu sehen. Mit einem strahlenden Lächeln läßt Fatima die Finger über die Jadekette gleiten, bevor sie Warren anschaut.
Die Hand, mit der er die Jadezigarettenspitze aus dem Mund nimmt, zittert ein wenig. »Na schön«, knurrt er. »Sie gehört dir. Du kannst sie behalten. Der Detective ist Zeuge.«
Ich starre ihn mit offenem Mund an, doch Fatima nickt nur, als wäre die Kette ein ganz alltägliches Geschenk, und bringt sie zum hinteren Ende des Geschäfts, wo sie sie in ihrer Chanel-Tasche verschwinden läßt. »Überrascht?« fragt Warren. »Nun, sie kann alles haben, was sie will. Was möchtest du aus dem Schaufenster, mein Schatz? Etwas von unschätzbarem Wert? Stell dir vor, ich wäre Aladin mit der Wunderlampe, und du könntest dir alles wünschen.«
Fatima
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