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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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allwissend?« Dann: »Soll ich fürs Taxi zahlen, oder haben Sie genug Geld dabei?« Schließlich steckte sie den Kopf noch einmal so tief ins Wageninnere, daß unsere Nasen fast gegeneinanderstießen. »Warren wird seinen Willen übrigens durchsetzen. Ich muß spätestens in einer Woche von hier verschwinden. Dann haben Sie endlich Ruhe vor mir.«
    Ich raste auf dem Rücksitz eines Taxis durch die Nacht; der Schock darüber, daß Vikorn sich mit Warren und Dr. Surichai in einem Jazzclub getroffen hatte, in dem Fatima als Sängerin auftrat, wurde allmählich von einem anderen verdrängt: Nie zuvor hatte ich die Geschichte meiner Mutter erzählt, sie nie aus jenem geheimen, schmerzenden Winkel in meinem Herzen hervorgeholt. Übrigens hatte nicht Nong sie mir verraten, sondern Pichai. Die Freundin, die in jener Nacht im Badezimmer saß, war Wanna, Pichais Mutter, gewesen, die ihrem Sohn davon berichtet hatte. Und er flüsterte mir die Geschichte in einer dunklen Nacht oben im Kloster zu, wo es keine Zukunft zu geben schien.
    Die Sache hatte mich gezeichnet, ohne daß ich es gemerkt hätte, und es schockierte mich, daß Kimberley Jones in der Lage gewesen war, mich so mühelos zu durchschauen: Ja, das mußte der Grund sein, warum ich nie mit einer farang-F rau geschlafen hatte. Wenn ich das nicht über mich selbst gewußt hatte, welche Geheimnisse verbarg ich dann noch vor mir?
    Sobald ich in meinem Zimmer war, rief ich Kimberley Jones an. Sie schlief schon fast, war überrascht, meine Stimme zu hören, und fasziniert von dem Zittern darin.
    »Wieviel Zeit hat Fatima nach Ansicht der Psychologen noch?«
    »Bevor sie völlig ausflippt, meinen Sie? Das läßt sich genausowenig vorhersagen wie Aktienkurse. Man weiß, wie sich der Markt letztlich entwickeln wird, aber nicht, wann. Morgen, in einem Monat, in einem Jahr – wer kann das schon prophezeien? Warum ist das plötzlich so wichtig?«
    »Dr. Surichai«, sagte ich und legte auf.
    Da war noch etwas anderes – etwas, das vermutlich nur ein Thai-Cop für wichtig hielt. Ein paar Tische von Vikorns Gruppe entfernt hatten fünf chinesische Geschäftsleute gesessen. Vikorn hatte sie bestimmt bemerkt. Genau wie Warren.

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    Professor Beckendorf wird im letzten Absatz von Kapitel neunundzwanzig (»Schicksal und Schicksalhaftigkeit im modernen Siam«) des dritten Bandes seines Meisterwerks Thai Culture Explained fast selbst zum Thai, wenn er sich ohne Vorwarnung in die Metaphysik stürzt:
    Während der durchschnittliche Westler alles in seiner Kraft Stehende tut, um sein Schicksal zu kontrollieren, ist der moderne Thai von dieser Lebenseinstellung immer noch so weit entfernt wie seine Vorfahren vor hundert oder zweihundert Jahren. Falls es irgendeinen Aspekt der modernen Thai-Psychologie gibt, der weiterhin die buddhistische (dem islamischen Fatalismus so ähnliche) Doktrin des Karma in toto akzeptiert, läßt er sich mit dem Satz que sera, sera umschreiben. Auf den ersten Blick mag diese Art des Fatalismus rückständig, ja sogar pervers erscheinen, wenn man das Arsenal der Waffen in Betracht zieht, das dem heutigen Westler gegen die Wechselfälle des Lebens zur Verfügung steht. Doch wer eine gewisse Zeit im Königreich Thailand verbringt, beginnt sehr schnell, die Weisheit und Aufrichtigkeit westlicher Gedanken anzuzweifeln. Wenn der Durchschnittswestler seine Steuern sowie seine Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung bezahlt, das letzte Fortbildungsseminar hinter sich gebracht, für die Ausbildung der Kinder gespart, seine Unterhaltszahlungen geleistet, Haus und Auto – die Statussymbole seiner Gesellschaft – erworben, den Konsum von Alkohol, Nikotin und Drogen sowie den außerehelichen Sex aufgegeben, seine zweiwöchigen Ferien mit einem der Bildung dienenden (aber sicheren) Abenteuerurlaub verbracht und außerdem gelernt hat, sehr, sehr vorsichtig zu sein, was er zu Angehörigen des anderen Geschlechts sagt oder mit ihnen tut, kommt er vielleicht dazu, sich zu fragen, was eigentlich aus seinem Leben geworden ist. Möglicherweise – ziemlich sicher sogar – fühlt er sich betrogen, wenn er entdeckt, daß all seine Sorgen und Versicherungszahlungen ihn letztlich nicht vor Feuer, Einbruch, Überflutungen, Erdbeben, Tornados, Kündigung oder terroristischen Aktivitäten schützen und auch seine Frau nicht daran hindern, ihn mit den Kindern, dem Wagen und dem Geld vom gemeinsamen Konto zu verlassen. Natürlich können Unfälle oder Krankheiten den Bürger eines

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