Der Jadereiter
entkleiden. Unter dem T-Shirt kommen ein schwarzer Büstenhalter und ein Goldstift zum Vorschein, der diagonal ihren Nabel durchdringt. Sie nestelt daran, während sie ihren Mund zu einem O formt und die Zunge lasziv über die Lippen gleiten läßt. Beim Öffnen des Büstenhalters beugt sie sich vor. Sie schüttelt den Oberkörper, damit ihre Brüste wackeln, doch ein kurzes Stirnrunzeln und dann ein artiges Nicken verraten uns, daß das dem Publikum nicht gefällt. Etwas ernster geworden, schlüpft sie aus der Jeans. Jetzt ist sie bis auf einen String-Tanga nackt. Anscheinend findet das Publikum auch das nicht erotisch, denn mit leicht frustriertem Gesichtsausdruck zieht sie ihn aus, so daß sie jetzt, die Hände in die Hüften gestemmt, völlig nackt dasteht. Sie wartet auf Anweisungen. Verwirrt hebt sie die Hände über den Kopf und verharrt einige Sekunden lang in dieser Stellung. Es besteht kein Zweifel, daß die Bewegung den Goldstift in ihrem Nabel zur Geltung bringen soll.
Der Colonel hält das Band an dieser Stelle an und wendet sich mir mit fragendem Gesichtsausdruck zu. Von der Hautfarbe abgesehen, ist die Ähnlichkeit mit Fatimas Körper verblüffend. Vikorn drückt wieder auf den Play-Knopf. Auf Anweisung senkt die blonde Frau eine Hand, um die Finger erotisch über den Goldstift gleiten zu lassen, auf und ab, auf und ab, rundherum, eine Kombination aus männlicher und weiblicher Masturbation.
Jetzt legt sie sich auf das Bett hinter ihr, und wieder beherrscht der Goldstift die Szene. Ihre Körpersprache verrät, daß sie jedesmal, wenn sie aufhört, ihn zu streicheln, von ihrem Kunden gerügt wird. Nach einer Weile dreht sie sich auf den Bauch. Sofort packen zwei riesige schwarze Hände ihr linkes Handgelenk und fesseln es mit Klebeband an die Metallstäbe des Betts, während andere – weiße, mit einem filigranen Goldkettchen – das rechte ergreifen. Sie schließt halb die Augen, spielt die Rolle der erregten Frau sehr überzeugend. Die Kamera ist nun auf ihren Kopf und ihren Oberkörper gerichtet; nur anhand ihrer Mimik läßt sich erahnen, daß sie penetriert wird. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich urplötzlich beim ersten Peitschenhieb, der eine Blutspur auf ihrer Wange hinterläßt. Ich brülle Vikorn an, daß er den Videorecorder ausschalten soll.
Der Bildschirm ist schwarz. Vikorn betrachtet mich mit fast wissenschaftlicher – aber auch betrunkener – Neugierde. »Mein Bruder hat mir viel über dich und Pichai erzählt. Er sagt, ihr wärt, jeder auf seine Art, sehr begabt. Dein Problem ist seiner Meinung nach dein vollkommener Mangel an Identität. Du kannst – durchaus wörtlich gemeint – sein, wer du möchtest, aber immer nur kurze Zeit. Wer warst du gerade? Das Opfer?«
»Fatima, als sie sich das Tape zum erstenmal ansah«, murmle ich, beschämt über meine Schwäche.
Zu meiner Überraschung legt der Colonel den Arm um mich. »Mach dir keine Gedanken darüber.«
Schweigen, dann sage ich: »Ich muß sie verhaften, stimmt’s?«
Die Frage läßt ihn noch älter wirken. Die Haut unter seinem kantigen Kinn wird schlaffer. Jetzt erkenne ich das Reptil in ihm: lockerhäutig, prähistorisch, schlau. Das ist die wahre Strafe. Nicht die Wiedergeburt im Körper eines Tieres, sondern die ewige Qual, sich um die Folgen seiner Gier zu drücken. Unendlich müde antwortet er: »Tja, wahrscheinlich.«
»Wollen Sie helfen?«
»Wie?«
»Die Chinesen?«
Er nickt und ergreift meinen Arm. »Alles hängt von ihnen ab. Wenn sie beschließen, ihren Mann zu schützen, sind wir erledigt, alle. Dann stellt Fatima das Band ins Internet. Wer weiß, auf welche Ideen sie sonst noch kommt? Sie haben ihr die Menschlichkeit genommen – was hat sie noch zu verlieren? Die Khmer werden zu ihr stehen; sie haben auch nichts zu verlieren. Es wird ein Blutbad geben.«
An der Tür erinnert er mich an eine verschrumpelte Kröte. Eine hilflose Geste, dann ergreift er meinen Arm noch einmal, und plötzlich leuchten seine Augen auf. »Der Schmuckhändler ist ein kranker Mann, aber auch ein Genie. Du hättest ihn in der Blüte seiner Jahre erleben sollen. Die Chiu Chow lieben ihn. Wie, denkst du wohl, bin ich zu dem gekommen, was ich habe? Es stammt alles aus Chinatown. Wir Thais sind nur gut fürs Ficken, Kämpfen, Trinken und Sterben. Das habe ich von Warren – und seinen chinesischen Freunden – gelernt.« Langes Schweigen.
»Das waren tolle Zeiten damals. Die Berge von Laos sind echtes Buddhaland. Grün,
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