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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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würde ich an deiner Stelle auch tun.«
    »Und, haben Sie das getan?«
    Der Colonel reibt sich das Kinn. »Ich fühle mich schuldig, weil ich mich nicht genug um euch gekümmert habe – aber das ist meine einzige Verfehlung.« Ich nicke. Die Antwort überrascht mich nicht. »Sonchai, ich warte schon den ganzen Morgen auf dich und habe noch nichts gegessen. Wir gehen in meine Bar.« Er nimmt den Hörer eines altmodischen Telefons mit Gegensprechanlage in die Hand, drückt auf einen Knopf und spricht. »Wir fahren rüber nach Pat Pong – rufen Sie in der Bar an und sagen Sie den Leuten dort, sie sollen sie geschlossen halten. Falls sie schon offen ist, sollen sie sie räumen. Außerdem brauche ich eine Eskorte; ich möchte nicht den ganzen Tag im Stau verbringen.« Er legt den Hörer auf die Gabel. »Wollen wir?«

18
    Der Colonel entscheidet sich heute für einen alten weißen Datsun, doch so zügig, wie er trotz des dichten Verkehrs vorankommt, könnte der Wagen gut und gern eine königliche Limousine sein. Hilfreich ist natürlich die Zweiermotorradeskorte mit heulenden Sirenen. Wir nähern uns Pat Pong von der Sarawong-Seite; der Fahrer hält den Wagen vor dem Princess Club an, der sich in einer von der Hauptstraße Pat Pongs abgehenden soi befindet. Der Colonel weiß, daß meine Mutter in dieser Straße arbeitete. Ob er sie gerade deshalb gewählt hat? Als wir eintreten, sehe ich mich kurz so, wie ich vor mehr als zwanzig Jahren gewesen sein muß: ein schmaler Junge, verwirrt und fasziniert vom Geschäft mit dem Fleisch.
    Die Mamasan und einige Mädchen in Jeans und T-Shirt legen die Handflächen zum wai- Grußaneinander. Sie haben einen Tisch für uns gedeckt. Sofort bringen sie Speisen aus den Lokalen und Garküchen der Gegend.
    »Wollen wir mit Bier anfangen oder gleich mit Whisky? Nehmen wir ein Bier, ein Kloster wie die Touristen; ich muß zugeben, daß das den reineren Geschmack hat. Außerdem paßt es gut zu Chili.«
    Ich habe schon mehrmals an Gelagen des Colonel teilgenommen – sie sind eine Lieblingsmethode des Alten, den Korpsgeist zu zementieren (eine andere sind Ausflüge auf seiner Yacht) –, aber noch nie als einziger Gast. Mir ist es ein bißchen unheimlich, mich von Mädchen bedienen zu lassen, die aussehen wie Vestalinnen, aber schon bald wieder ihren Körper verkaufen werden. Sie wollen dem Colonel alles recht machen, bedenken ihn jedesmal, wenn sie an ihm vorbeigehen, mit einem wai- Grußund ihrem unschuldigsten Lächeln. Ich weiß, daß es meine Pflicht ist, mit dem Colonel mitzuhalten, aber ich bin mir nicht sicher, wie mein Körper nach dem yaa baa und mehr als vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf, ganz zu schweigen von dem Moonshine, das in meinem Magen schwelt wie glühende Kohlen, auf Alkohol reagieren wird. Ich trinke das Kloster aus der Flasche, genau wie der Colonel. Er holt eine Portion klebrigen Reis aus einem kleinen Bastkorb, formt sie zu einer kompakten Kugel, taucht sie in Papayasalat und gibt mir mit einem Nicken zu verstehen, daß ich es ihm gleichtun soll. Vielleicht hast du, farang, deinen Magen bei einem deiner Besuche in meinem Land schon einmal mit Papaya- pok-pok gequält? Es wird aus zwölf Sorten Chili gemacht, die zusammen mit der Sauce vermahlen werden, so daß man ihnen nicht entkommt. Sogar mein Colonel schnieft nach dem ersten Bissen ein wenig. Mein Gaumen beginnt zu brennen, dann tröpfelt das pok-pok wie frische Lava in meinen Magen. Ich nehme einen Schluck Bier; sofort spüre ich das köstliche Aufeinandertreffen von eiskaltem Getränk und feurigem Chili. Der Colonel beobachtet mich genau. Es ist meine Pflicht, gesunden Appetit zu beweisen.
    Ich probiere die tom-yum- Suppe , die fast so scharf ist wie der Salat, und wende mich dann dem geschmorten Hühnchen in Austernsauce zu, eher ein chinesisches als ein thailändisches Gericht, das der Colonel liebt. Danach kommt Seebarsch vom Grill mit einer ausgezeichneten Fisch- und Chilisauce. In meinem vom yaa baa wunden Magen brennt das Chili wie Feuer. Ich leere hastig meine Bierflasche, und sofort bringt mir eins der Mädchen eine neue. Als ich um Wasser bitte, muß der Colonel grinsen. Jetzt wird eine große Terrine mit dicken, im eigenen Saft geschmorten Schnecken serviert. Der Colonel tunkt etwas von der Sauce mit einer Kugel aus klebrigem Reis auf, dann beginnt er, laut am Gehäuse einer Schnecke zu saugen, bis das Tier herausgleitet. Ich tue es ihm gleich, versuche, nicht zu würgen.
    Der Colonel leert sein

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