Der Jadereiter
können.«
Ich glaube zu verstehen und wähle einige E-Mails von Warren sowie Antworten von Bradley aus. Meine amerikanischen Kollegen wirken hilflos, als ich sie laut vorlese.
Bill, Deine Lieferung ist gestern mit FedEx gekommen. Du hast recht, die Jungs begreifen allmählich, worum’s geht, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Bill, das ist gute Arbeit, die ich überall verkaufen kann, aber nicht das, worüber wir uns unterhalten haben. Ich komme nächsten Dienstag mit einem Flug der Thai Airways. Dann reden wir weiter.
Bill, die letzte Lieferung hat mich wirklich sehr beeindruckt. Perfekt ist sie immer noch nicht, aber fast. Ich gebe heute die zweite Tranche frei. Mach weiter so.
Ich halte inne, um die drei nacheinander anzusehen. Irgendwann sagt Rosen zu Nape: »Sagen Sie’s ihm.«
Nape räuspert sich. »Sylvester Warren hat die allerbesten Verbindungen. Er kennt Senatoren und Kongreßabgeordnete. Er stattet fast ein Drittel von Amerikas reichsten Frauen und viele der vermögendsten Männer mit Schmuck aus, weil er besonderes Geschick darin besitzt, die besten und originellsten Designer zu finden. Er unterhält Kontakte zu allen Superreichen, unterstützt die Republikaner mit horrenden Summen, die Demokraten mit etwas geringeren. Hin und wieder wird er ins Weiße Haus eingeladen. Er kennt Richter und wichtige Anwälte. Außerdem wird er seit Jahren vom FBI überwacht. Wir verdächtigen ihn der Kunstfälschung, aber er ist zu klug, um sich erwischen zu lassen. Leider haben wir auch nicht allzu viele Fachleute für kaiserliche Jade, und er ist unseres Wissens der führende Experte der Welt auf diesem Gebiet. Es ist nicht nur sein Beruf, sondern auch sein Hobby und seine Leidenschaft. Falls er tatsächlich krumme Geschäfte macht, zieht er nur die Reichen über den Tisch, und die würden nie zugeben, daß sie sich haben reinlegen lassen. Es gibt Grenzen für die Mittel, die das FBI angesichts seiner anderen Aufgaben in ein solches Projekt zu stecken bereit ist.«
Ich schnalze mit der Zunge. »Gehe ich recht in der Annahme, daß seine Sammlung kaiserlicher Jade eine der größten weltweit außerhalb der Museen ist?«
»Ja.«
»Und hin und wieder verkauft er ein Stück daraus, wahrscheinlich bei Auktionen?«
»Normalerweise privat, doch ab und an bekommt Christie’s oder Sotheby’s ein Stück vom Kuchen. Wenn das der Fall ist, ist das etwas ganz Besonderes. Dann tauchen plötzlich Leute auf, die man seit Jahren für tot gehalten hat. Die Gebote werden natürlich von Mittelsmännern gemacht; die Öffentlichkeit kennt die wirklichen Bieter nicht.«
Rosen nimmt stirnrunzelnd den Faden auf: »Washington ist nicht gerade scharf darauf, Beweise gegen Warren zu sammeln. Die müßten so gut sein, daß alle seine Freunde sich gezwungen sähen, sich von ihm abzuwenden, aber er ist zu clever, um so einen Schnitzer zu machen. Ein weiteres Problem ist offen gestanden, daß solche Beweise ihren Ursprung vermutlich in Thailand hätten, und … muß ich fortfahren?«
»Seine Verbindungen hier sind zu gut, als daß derartige Beweise nicht sofort vernichtet würden?«
Die FBI-Frau nickt.
»Wie alt ist Mr. Warren?«
»Zweiundsechzig, sieht aber aus wie ein gut erhaltener Vierziger.«
»Und seine Laufbahn hat er mit etwa zwanzig begonnen?«
»Er hat einen Abschluß in Gemmologie und Sinologie, Spezialgebiet späte Kaiserzeit. Er spricht gut Mandarin und sehr gut Thai.« Schweigen, während Nape den Finger über den Bildschirm gleiten läßt. »Außerdem beherrscht er den Swatow-Dialekt. Sagt Ihnen das was?«
»Swatow? Das Gebiet, aus dem die Chiu-Chow kommen? Die beherrschen Thailand«, antworte ich. »Sie leiten unsere Banken und alle großen Unternehmen. Sie haben Thai-Namen, aber eigentlich sind sie Chiu Chow.«
»Ich glaube, Sie wissen, was Sache ist«, sagt Rosen.
Nape mustert mein Gesicht; ich versuche, aufmerksam zu wirken. Er hüstelt und fährt dann fort: »Eine Hypothese, die wir Ihnen jedoch nicht schriftlich geben können, sieht folgendermaßen aus: Ein vergleichsweise ungebildeter schwarzer Sergeant der Marines, der unvermuteterweise einen Blick für Schönes besitzt, richtet nach einer Laosreise, während derer er irgendwann nach dem 17. Mai 1996, wahrscheinlich nur wenige Monate nach seiner Ankunft, versuchsweise ein Stück unverarbeiteter Jade erwarb, eine Homepage ein. Sylvester Warren sieht das mittlerweile verarbeitete Stück auf Bradleys Homepage, erkennt sofort die
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