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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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sechs Wochen lang war er Pilot, im Hanoi Hilton eingesperrt und Folterungen ausgesetzt, bis ich erfuhr, daß jene Helden erst nach meiner Geburt entlassen wurden. Wo war er während der Tet-Offensive gewesen? Gehörte er zu den Soldaten auf einem Foto, auf dem desillusionierte GIs durch die Läufe ihrer Gewehre ganja rauchten? Ich glaube, ich war sechzehn, als mir schließlich klar wurde, daß Amerika den Krieg verloren hatte, trotz der Bemühungen meines mir unbekannten Vaters. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte die Verwirrung meine Gedanken bereits gespalten. Ja, er besaß zweifelsohne Qualitäten, aber er war auch als Weißer ausgeschickt worden, um braune Männer zu töten, die derselben Rasse angehörten wie meine Mutter, ihr Vater und ihre Brüder (erst einige Jahre später merkte ich, daß es in Vietnam nicht um die Rasse, sondern um die Religion gegangen war). Und die Greueltaten, die dort verübt wurden? Meine einzige Auslandsreise ohne Nong hatte mich nach Vietnam geführt, wo ich in Cu Chi, Danang, Hanoi und im Museum of American War Atrocities in Ho Chi Minh City nach ihm suchte. Die ganze Zeit über verfolgte sie mein Treiben voller Schmerz. Manchmal zitterten ihre Lippen, als wollte sie seinen Namen aussprechen, doch sie tat es nie. Welch schreckliches Geheimnis verbarg sie vor mir? Hatte er zu den »Spezialeinheiten«, den Folterern, gehört?

22
    Die FBI-Frau hat eine gute Figur, blaue Augen, blonde Haare, einen pfirsichfarbenen Teint und riecht angenehm nach Seife. Pariser Parfüm scheint sie nicht zu brauchen. Sie nennt mir ihren Namen, Kimberley Jones. Sie ist um die achtundzwanzig, die geborene Grüblerin und wirkt ein bißchen schmal; vermutlich macht sie zuviel Sport.
    Ich befinde mich in einem Krankenhaus, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe, in einem Einzelzimmer, das mich an ein Fünf-Sterne-Hotel erinnert, mit Blick auf Palmen, Bananenbäume, Orchideen, Bougainvilleen, Hibiskussträucher, dazu das einlullende Geräusch der Bewässerungsanlage. Als ich das letzte Mal zu Bewußtsein kam, war die FBI-Frau bereits hier. Sie sagte: »Sie haben eine Menge Blut verloren, mein Lieber, wir haben Sie gerade noch rechtzeitig hergebracht.« Fast könnte sie Krankenschwester sein, so, wie sie von Zeit zu Zeit meinen Puls mißt und die Kissen aufschüttelt.
    Als ich das zweite Mal aus den Tiefen des Vergessens auftauchte, wo ich zweifelsohne meinem Bruder Pichai begegnet war, saß auf dem Stuhl neben meinem Bett nicht die FBI-Frau, sondern ein Uniformierter.
    »Und der ganze Zirkus wegen so einem Kratzer? Der Buddha muß dich wirklich mögen.«
    »Wie sehe ich aus?« Ich hatte mich nicht getraut, einer fremden Frau diese Frage zu stellen.
    »Ohne Nase? Besser als vorher.« Als der Colonel meinen entsetzten Blick sah, fügte er hinzu: »War nur ein Scherz.«
    Dann beugte er sich mit verschwörerischer Miene vor.
    »Aber eins würde mich doch interessieren: Warum hast du die alte Frau umgebracht? Hat sie dich angemacht?«
    Ich sank in die Kissen und in die Tiefen des Vergessens zurück, um Pichai diesen Witz zu erzählen.
     
    Offenbar ist meine Mutter dem Colonel heute auf dem Flur begegnet. Ihre Augen leuchten, als sie den Stuhl ans Bett rückt.
    »Er ist reizend, findest du nicht auch? Er muß sehr reich sein.«
    »Nein, Mutter.«
    »Er hat mich auf seine Yacht eingeladen. Ist das wirklich eins von diesen riesigen Schiffen mit Kapitän, Crew, Swimmingpool und allem Drum und Dran?«
    »Nein, bitte, tu das nicht.«
    »Ach, ich denke dabei nicht an mich selbst, aber für dich wäre es gut. Du hättest eine Beförderung mehr verdient als jeder andere, und ohne Kontakte kriegst du sie nie. Er hat sogar angedeutet …«
    »Wenn man mir aus solchen Gründen eine Beförderung anbieten würde, müßte ich nein sagen.«
    Sie tätschelt seufzend meine Hand. »Nun, jedenfalls kannst du nicht behaupten, daß ich es nicht versucht hätte. Du bist so moralisch, ich weiß nicht, von wem du das hast.«
    »Natürlich weißt du das, nicht von dir, das liegt auf der Hand. Aber ich weiß es nicht, weil du es mir nicht verraten willst.«
    Sie kichert nervös, als sie nach einer Marlboro greift.
    »Ich werde es dir schon noch sagen, mein Schatz, aber ich brauche Zeit, das ist alles.«

23
    Eine willkürliche Erinnerung: eine unter Naturschutz stehende Insel in der Andamanensee, die nur hochrangige Cops mit Luxusyachten aufsuchen durften; mehr Girls, als ich zählen konnte, die perfekten jungen Körper immer voller Wassertropfen

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