Der Jadereiter
vom Schwimmen und Tauchen (den Mädchen machte dieser Ausflug wirklich Spaß); Pichai und ich fühlten uns als Außenseiter und waren Anfeindungen ausgesetzt: Bestechungsgelder abzulehnen, war schlimm genug, aber Gratissex auszuschlagen, konnte fast schon als aufwieglerisch gewertet werden. Es handelte sich um eine gemeinsame Exkursion der Polizeikräfte zur Stärkung des Korpsgeistes nach der Hinrichtung der yaabaa- Händler , für den Fall, daß irgend jemand kalte Füße bekam (was natürlich nicht passierte). Die anderen Cops gingen nur zu gern mit den Mädchen ins Bett, so daß Vikorn, Pichai und ich allein Bier tranken und die Sterne anschauten. Vermutlich fühlte der alte Mann sich, eingehüllt von der samtenen Nacht, sicher auf seiner Yacht – vielleicht liebte er uns, Pichai und mich, in diesem Augenblick sogar. Aus der Stereoanlage klang »Der Walkürenritt«, das einzige westliche Musikstück, das er zu kennen schien. Als das Gespräch vorübergehend erlahmte, fragte Pichai, was niemand sonst zu fragen gewagt hatte: Was für eine seltsame Musik ist denn das?
Sogar betrunken hüllte Vikorn seine Kriegsgeschichten in den Schleier der Verschwiegenheit. Vielleicht verlor er die Beherrschung über seine Zunge, doch in seinem Gehirn gab es einen streng bewachten Tresorraum, den er nur allein zu betreten wagte. Die einzigen echten Hinweise bestanden aus einzelnen Ausdrücken: REMFs; Ravens; O-1s; The Other Theater; American Breakfast; eggs over easy; Pat Black.
24
Sobald Nong verschwunden ist, betritt die FBI-Frau stirnrunzelnd das Zimmer. Sie spricht nicht Thai, aber wahrscheinlich hat sie meine Mutter und den Colonel auf dem Flur flirten sehen. Vielleicht leidet sie unter fortgeschrittenem Kulturschock? Ich weiß jetzt schon, daß sie sich nicht mit dem Colonel vertragen wird.
Sie sagt mir, daß Bradleys Computer eingetroffen ist, und wenig später beginnt sie eine Halterung quer übers Bett, Kabel, sogar einen Internetanschluß zu organisieren. Kimberley Jones flirtet nicht, wahrscheinlich hat sie einen Antiflirtkurs in Quantico belegt, weshalb sie ein bißchen steif wirkt, wenn sie sich alle paar Minuten über mich beugt. Und als der Computer dann schließlich installiert ist und läuft, wird die Sache noch peinlicher. Ziemlich oft hängt mir ihr Busen ins Gesicht, und sie wird rot. Hat sich die amerikanische Kultur um hundert Jahre zurückentwickelt? Soweit ich mich erinnere, waren in den Filmen der Vietnamzeit entspanntere Menschen zu sehen. Aber egal. Bei der gemeinsamen Betrachtung von Bradleys E-Mails werden wir beide ziemlich erregt – rein beruflich, versteht sich.
Schon bald gesellen sich Rosen und Nape zu uns, die mir über die Schulter schauen. Die Stimmung ist freundschaftlich, sogar fröhlich, bis ich sage: »Kennt irgend jemand diesen Sylvester Warren?« Schweigen. Ich sehe Kimberley Jones an. Sie wendet den Blick ab. Rosen hüstelt.
»Sie kommen aber schnell zur Sache, Detective, das muß ich Ihnen lassen.«
Nape rettet die Situation. »Ich denke, es sollte nicht bekannt werden, daß wir E-Mails von Mr. Warren lesen. Jedenfalls nicht, bevor wir nicht auf etwas konkret Verwertbares stoßen.«
Rosen pflichtet ihm mit heftigem Kopfnicken bei.
»Stimmt. Wenn das hier ein Rachemord in einer Drogenfehde ist, wollen wir Warren nicht in die Sache reinziehen. Es könnte ja sein, daß er nur ein Gelehrtengespräch über irgendeinen obskuren Aspekt des Jadehandels mit Bradley geführt hat.«
Ich sehe sie alle mit großen Augen an, so charmant und bescheiden, wie ich kann. Nape grinst. »Warren ist ein hohes Tier. Sowohl hier als auch in New York. Er kommt jeden Monat nach Bangkok, wird zu Empfängen in der Botschaft eingeladen. Er hat zahlreiche Kontakte zur hiesigen High-Society, besonders der chinesischen. Er ist ein wohlhabender Schmuck- und Kunsthändler mit Geschäften in Manhattan, Los Angeles, Paris, London – und hier. Jade ist seine Leidenschaft. Es wundert mich nicht, daß er Bradley kannte, einen amerikanischen Jadeliebhaber, der in Bangkok lebte.«
»Was für eine wunderbar demokratische Gesellschaft Sie in Amerika haben müssen, wenn ein Sergeant der Marines auf du und du mit jemandem wie Warren sein kann.«
Alle drei suchen in meinem Gesicht nach Spuren von Sarkasmus, den ich nicht beabsichtigte. Es ist mir gelungen, peinliches Schweigen zu erzeugen. Nach einer Weile sagt Rosen: »Nun, Amerikaner reden miteinander, besonders, wenn sie durch solche Gespräche Profit machen
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