Der Jadereiter
Engländer um seine Lizenz zu bringen.
»Tja, mit der politischen Seite kenne ich mich nicht aus. Ich vermute, die beiden Colonels sind gute Freunde.«
Sie folgt mir eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock, und jetzt sehe ich, daß es auch noch einen zweiten gibt. »Wieviele Zimmer hast du dir vorgestellt?«
»Zehn auf jedem Stockwerk.«
» Zehn? «
»Wird das zu eng?«
Ich messe im Kopf die Länge des Flurs ab, von dem im Augenblick drei Räume abgehen. »Mutter, da müssen sie sich doch schon aufeinanderlegen, bevor sie überhaupt im Zimmer sind. Gute eineinhalb Meter brauchst du von Wand zu Wand, sonst besteht der ganze Raum nur aus Bett.«
»So soll’s doch sein, oder? Aber wenn du meinst, daß zehn zu viel sind, machen wir halt bloß neun.«
»Sieben. Ich unterschreibe keine Pläne für mehr als sieben. Dann ist jedes Zimmer immer noch nicht viel breiter als zwei Meter. Sie brauchen Platz zum Ausziehen, können nicht auf dem Flur aus den Kleidern hüpfen. Wir sind hier nicht auf dem Land, weißt du.«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Seufzend fügt sie hinzu: »Na schön, dann sage ich dem Colonel, daß du auf sieben Zimmern bestehst. Freuen wird ihn das nicht, denn du hast den Gewinn gerade um ein Drittel gesenkt.«
Ich klettere kurz hinauf in den zweiten Stock, wo überall alte Matratzen, Plastikbierträger, Aluminiumbierfässer und modrige Bücher herumliegen. Wenige Minuten später gehen wir wieder hinunter in den Barbereich. Ich schüttle den Kopf. »Was mache ich da bloß? Ich hasse Bordelle.«
»Ich weiß, mein Schatz, aber das ist nun mal das Geschäft Nummer eins. Mir wäre auch ein Internet-Café lieber, doch so was rentiert sich einfach nicht. Stell dir vor, du hast einen Raum voller farangs, die für tausend Baht die Stunde Mädchen mieten könnten, und statt dessen hacken sie für vierzig Baht auf eine Computertastatur ein. Das lohnt sich nicht.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Wie soll das Ding heißen?«
»Überraschung! Wir wollen das Lokal Old Man’s Club nennen.«
»Wie?«
»Du verstehst das nicht, mein Schatz. Wir haben den Markt analysiert und möchten uns auf eine Nische spezialisieren. Mit den Neontempeln werden wir nicht konkurrieren, die können die Männer zwischen dreißig und fünfzig haben. Wir wollen die Rentner. Nach dem Abschluß meines Kurses – ich hatte übrigens die besten Noten – habe ich dem Colonel alles erklärt. Er hat über die Sache nachgedacht und stimmt mir zu. Er findet meine Idee genial.«
Ich weiche zurück, eine unbewußte Reaktion – passiert das wirklich? Mache ich das tatsächlich? –, und nun schiebt sie mich hinaus auf die Straße, wo das Licht besser ist. Ich sehe jene Metamorphose in ihrem Gesicht, die Frauenbücher manchmal beschreiben: Mehr als zehn Jahre lang hat sie ein friedliches, idyllisches, eher langweiliges Leben auf dem Land geführt. In jener Zeit hat sich ein großes Ehrgeiz-Reservoir gefüllt. Jetzt kann nichts sie mehr aufhalten. Sie ist der Puppenspieler, ich bin die Marionette. Sie sieht immer noch phantastisch aus. Als ich ihr einen Kuß auf die Wange gebe, weiß sie, daß sie gewonnen hat.
Von Soi Cowboy aus brause ich mit dem Motorradtaxi zum Hilton International. Dort fahre ich mit dem Aufzug in den einundzwanzigsten Stock, wo sich das Zimmer der FBI-Frau befindet. Sie beschäftigt sich gerade mit einer Reihe metallischer Objekte, Teilen einer Pistole, wie ich erst auf den zweiten Blick merke. Lauf und Schaft scheinen von einem der riesigen Sessel aus den Vorsitz über die Zerlegungsaktion zu führen. Die FBI-Frau bietet mir den anderen an. Die Waffe und ich – ich glaube, es ist eine Heckler & Koch – starren einander an, während Kimberley Jones sie auf dem Tintenlöscher des Hotels auseinandernimmt und die Einzelteile einen Moment mustert, bevor sie nach der Eiskrem greift. Die Waffe hat meine Aufmerksamkeit so vollständig auf sich gezogen, daß mir der riesige Becher Häagen-Dazs-Macadamia-Nuß auf der einen Seite ihres Schreibtischs nicht aufgefallen ist. Die FBI-Frau arbeitet geübt, kann gleichzeitig mit einem Finger gegen den Mechanismus drücken und mit der anderen Hand einen Plastiklöffel in den Eisbecher schieben. Allein zu essen, gilt in meinem Land als traurig, als Beweis gesellschaftlicher und emotionaler Verarmung. Dies vor einem anderen zu tun, ohne ihm etwas anzubieten, ist eine Obszönität, die ich fast nicht ertrage. Ich spüre, wie das Blut aus meinem Gesicht weicht, als sie einen
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