Der Jadereiter
Nahrungsqualität und die Volksgesundheit hier im Gefängnis enorm zu verbessern – ich bin nun mal immer schon erfolgsorientiert gewesen.«
Ich nicke kaum merklich, doch er reagiert sofort, reibt sich am Ohr. Das bedeutet, daß der Wachmann auf dem Stuhl in der Ecke sich blind stellen wird. Vielleicht hat Fritz ihn mit ein paar 555ern bestochen. Ich hole die Packung Marlboro aus der Tasche, zünde einen der präparierten Glimmstengel an und mache eine fragende Geste in Richtung Wachmann, der nickt. Also reiche ich Fritz die brennende Zigarette durch die Gitterstäbe; er nimmt ein paar Züge und drückt sie aus. Mit mattem Lächeln sagt er:
»Die hebe ich mir für später auf.«
Ich sage ihm, daß er mir einen Gefallen tun kann, und er lauscht mir mit seiner üblichen paranoiden Aufmerksamkeit, während ich die Geschichte von Bradley und der Dao Phrya Bridge erzähle. Es steht mir frei, Englisch oder Thai zu sprechen, denn mittlerweile kann er beides fließend und kennt sogar mehr Gefängnisslang als ich. Als ich fertig bin, zünde ich eine weitere Zigarette an und reiche sie ihm. Diesmal scheint der Wachmann überhaupt keine Notiz davon zu nehmen. Fritz zieht ein paarmal daran und drückt sie dann aus wie zuvor.
Er weiß nichts über Bradley oder die Squatter unter der Brücke, pflichtet mir aber bei, daß es in Bang Kwan jemanden geben muß, der die von mir benötigte Information hat. Während er mich mit eindringlichem Blick mustert, zuckt er am ganzen Körper, und seine Hände bewegen sich rastlos hin und her. Ich beschreibe die Frau auf Bradleys Ölgemälde, was erst dann eine Reaktion hervorruft, als ich die Khmer erwähne. Seine Augen leuchten so kurz auf, daß ich es nicht bemerkt hätte, wenn ich nicht mittlerweile Meister der Gefängnissignalsprache wäre. Ich halte mitten im Satz inne. Bis jetzt habe ich Thai gesprochen, nun wechselt er zu Englisch.
»Ich habe von ihr gehört, wie alle andern hier drin. Sie ist eine Legende wegen der Khmer. Sogar die thailändischen Gangster haben einen Heidenrespekt vor denen. Sie ist im yaa-baa- Geschäft , und die Khmer dienen ihrem Schutz – heißt es jedenfalls. Sie wird deswegen von allen so geachtet, weil es ihr gelungen ist, sich für sie in eine religiöse Figur zu verwandeln. Du weißt ja, wie Dschungel-Khmer sind. Sie wären wohl bereit, für sie zu sterben. Bis jetzt hat mich die Geschichte nicht sonderlich interessiert. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Dann erkundigt er sich höflich nach meiner Mutter, und wir unterhalten uns über seine Chancen auf eine Begnadigung in diesem Jahr. Als ich mich verabschiede, habe ich ihm alle präparierten Zigaretten hinübergereicht. Das ist der Cash-flow, der ihn all die Jahre am Leben gehalten hat. Jemand in Deutschland überweist mir das Geld einmal monatlich.
Die Straße von dem düsteren Gefängnisgebäude zur Außenwelt ist sehr lang und sehr gerade und endet in einem Park voll Hibiskussträuchern, Bougainvilleen, Orchideen und üppig grünen Blättern der Tropen. Ein Meditierender muß darin einfach ein Symbol für die Weltachse sehen.
Wieder in meinem Zimmer, stelle ich fest, daß ich zu erschöpft bin, um mich noch weiter mit der Welt zu beschäftigen, und daß die Wunde schmerzt. Was ich jetzt brauche, ist eine Meditationshilfe, wie immer nach meinen Besuchen bei Fritz.
Natürlich verachtet der traditionelle Buddhismus ganja, und der Buddha untersagte den Genuß aller berauschenden Substanzen ausdrücklich. Andererseits (rede ich mir ein) sollte der Buddhismus nicht auf alle Zeit durch ein unveränderliches Regelwerk festgeschrieben werden. Er ist etwas Organisches und paßt sich an den Augenblick an. Ich bewahre meinen ganja- Vorratunter meinem Futon auf.
Ich rolle mir einen dicken Joint, zünde ihn an und inhaliere tief. Plötzlich beginne ich, Kummer abzusondern. Ich reiße mir alle Verbände herunter, traue mich zu bluten, mich auf den Schmerz zu konzentrieren (o Buddha, wie sehr ich diesen Jungen liebte!). Ich will keine Erleichterung, sondern ihn. Ich nehme einen weiteren Zug, halte ihn in der Lunge, so lange ich kann, und wiederhole das Ganze. Ich will keine Erleuchtung, sondern ihn. Tut mir leid, Buddha, ich habe ihn mehr geliebt als dich.
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Jeder aus meiner Zunft wird Ihnen sagen können: Verbrechen aufzuklären ist nichts anderes, als zwei und zwei zusammenzuzählen. Sehr oft erledigt das Gehirn diese Aufgabe automatisch wie ein Softwareprogramm, das im Hintergrund läuft, und
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