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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Lehrpfad gebracht haben. Wie wollen wir die Sache also anpacken – intuitiv oder systematisch?«
    »Das überlasse ich Ihnen.«
    »Nun, da ich keine nennenswerte Intuition besitze, schlage ich vor, daß wir systematisch vorgehen. Wie wär’s, wenn wir am Fluß, neben dem Landesteg, anfangen und uns langsam nach Westen vorarbeiten, bis wir den Wagen finden?«
    Der Landesteg ist verblüffend robust und modern, steht auf Stahlpfeilern von mehr als einem halben Meter Durchmesser, hat eine glatte Stahlbetonoberfläche und am Ende eine Stütze mit einer Hochleistungstrosse. Der Steg paßt so gar nicht zu seiner Umgebung; er sieht aus, als hätten Besucher aus der Zukunft ihn einer plötzlichen Eingebung folgend errichtet und dann zurückgelassen. Kimberley Jones schenkt ihm keine Beachtung, als sie beginnt, den Modus operandi festzulegen.
    Ich versuche, den Anweisungen der FBI-Frau zu folgen, schreite langsam zwischen den Wracks von Autos und Lastwagen hindurch, von denen nur noch die rostende Karosserie übrig ist, und lasse dabei den Blick nach links und rechts schweifen, damit mir der Mercedes nicht entgeht. Nach etwa der Hälfte des Weges sieht Kimberley Jones mich durch eine schmale Gasse zwischen den Wracks hindurch finster an, aber wir hören erst auf, als wir das westliche Ende erreichen. Der FBI-Frau steht der Schweiß auf der Stirn, und sie blinzelt, als er ihr in die Augen rollt. Sie hat den Reißverschluß an der Vorderseite ihres Overalls geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt. Sie weicht meinem Blick aus, als sie am Drahtzaun in die Hocke geht, ich neben ihr. Ich sage: »Tut mir leid, Kimberley.«
    Tiefes Durchatmen. »Wissen Sie, daheim in meinem Land habe ich mich immer für einen ziemlich intelligenten Menschen gehalten. Hier bin ich ins Grübeln gekommen, ob ich mir da vielleicht etwas vormache. Dann wurde mir klar, daß ich unter Kulturschock leide und daß jeder dumm ist, wenn man ihn aus seinem gewohnten Bezugsrahmen herausholt. Also habe ich mich daran gemacht, Geduld, vielleicht sogar ein bißchen buddhistisches Mitgefühl zu lernen. Einen Augenblick lang habe ich mich über meine Fortschritte gefreut. Aber die Realität holt uns immer wieder ein, nicht wahr? Jedenfalls in Thailand.«
    Ich fühle mich elender denn je und bin unfähig, etwas zu erwidern. Statt dessen starre ich den Boden an.
    »Sagen Sie mir wenigstens, ob ich richtig interpretiere, warum Sie heute schlechte Laune haben.«
    »Ja, Sie interpretieren richtig.«
    »Gut, dann reden wir jetzt mal Klartext: Auf Bangkoks einzigem Fahrzeughof sehen alle Wagen aus, als wären sie schon vor zwanzig Jahren Opfer der großen Autopest geworden. Ich weiß, daß der Lebensstandard in diesem Land nicht sonderlich hoch ist, aber auf den Straßen sind durchaus Luxuswagen zu sehen, ziemlich viele Mercedes-, Toyota- und Lexus-Modelle. Das legt die Vermutung nahe, daß sich auch hier ein oder zwei Fahrzeuge dieser Kategorie befinden müßten, oder?«
    »Ja.«
    »Aber merkwürdigerweise sind die einzigen beiden neuen, intakten Fahrzeuge, die ich hier gesehen habe, die beiden BMWs unmittelbar neben dem Landesteg.«
    »Stimmt, Kimberley.«
    »Stimmt, Sonchai? Sonchai, seit ich mit Ihnen zusammenarbeite, haben Sie ziemlich viel mit meinem Gehirn angestellt, aber das verzeihe ich Ihnen, weil ich Sie noch nie bei einer Unaufrichtigkeit ertappt habe. Ich hätte nie gedacht, daß Sie mich hinters Licht führen würden. Warum haben Sie mich hierherfahren lassen, wenn Sie von Anfang an wußten, daß sie den verdammten Wagen schon längst verkauft haben?«
    »Es gibt eine Kultur der Schuld und eine der Scham. Ihre ist die der Schuld, meine die der Scham.«
    »Was heißen soll, daß Sie immer erst abwarten, ob die Scheiße wirklich rauskommt?«
    »So könnte man es ausdrücken, ja. Der Wagen hätte auch hiersein können.«
    »Das glaube ich nicht. Der Sergeant da drin hat ihn verkauft, den Mercedes, das Hauptbeweisstück in unseren Ermittlungen.«
    »Es ist nicht seine Schuld.«
    »Ach. Geht’s wieder ums Karma, oder hat irgendein Baumgeist diesen prächtigen Landesteg gebaut und den Sergeant gezwungen, alle Wagen, die mehr als tausend Dollar wert sind, auf einem Frachtkahn an jenen Ort verschwinden zu lassen, an dem Autos in Bangkok die Wiedergeburt erleben, vielleicht in einem buddhistischen Kloster?«
    »Es wäre schwierig, Ihnen das zu erklären, aber es ist ein gutes System.«
    »Ich dachte, Sie sind ein arhat, ein gegen Korruption gefeiter Cop?«
    »Das bin

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