Der Jadereiter
von meiner Wohnanlage entfernt ab. Im Lauf der Jahre sind kleine Geschäfte – Schrotthändler, Autoreparaturwerkstätten – dort entstanden, so daß jemand, der keine Ahnung von uns Thais hat, meinen könnte, es handle sich um ein ausgewiesenes Gewerbegebiet. Ein Fremder ist vielleicht sogar beeindruckt davon, wie hingebungsvoll Polizeiwachen den Besitz der Bürger mit M16-Waffen schützen, bis das Gesetz die Eigentumsverhältnisse geklärt hat.
Die FBI-Frau hat ihr eigenes Köfferchen zur Untersuchung von Fingerabdrücken und Polstersitzen mitgebracht, das sie in das kleine Containerbüro schleppt. Als sie eine Tür entdeckt, hinter der sich eine Toilette befindet, holt sie etwas aus dem Köfferchen und verschwindet. Kurz darauf kehrt sie, angetan mit einem leuchtenden Overall, zurück.
Sergeant Sunya herrscht länger über dieses Reich am Fluß, als ich denken kann; er ist bekannt für seine geschickte Handhabung des Bürokrams, die Disziplin seiner Männer und die Unfehlbarkeit seines Gedächtnisses. Er erfreut sich immenser Beliebtheit und gilt als selbstloser Mensch, der sein Leben der Unterstützung anderer gewidmet hat. Sein Gesichtsausdruck verändert sich laufend, während er mich ansieht.
»Ein Mercedes E-Klasse mit Hecktür, sagen Sie?« Ich nicke. »Vor zwei Wochen beschlagnahmt?«
»Ja, das könnte hinkommen.«
»Nummer?«
Ich nenne sie ihm mit unnatürlich hoher Stimme, wie ein Akteur in einem Weihnachtsspiel.
»Und Sie wollen ihn sich heute ansehen? Ist er nicht bereits von der Spurensicherung untersucht worden?«
»Ja, ich glaube schon, aber die Frau vom FBI möchte selbst noch einen Blick darauf werfen. Ihre Ausrüstung ist bedeutend besser als unsere.«
»Verstehe. Das Problem ist nur, daß die Leute von der Spurensicherung ihn bewegt haben; Sie werden danach suchen müssen.«
Ich erkläre Kimberley Jones, was er mir gesagt hat. Sie zuckt mit den Achseln; Suriya mustert ihr Gesicht. »Na schön, dann suchen wir eben danach. So schwierig kann’s ja nicht sein, einen neuen Mercedes mit Hecktür zu finden, oder?«
»Es ist heiß.«
»Ich weiß. Vielleicht werde ich den Overall ausziehen und mir die Kleidung schmutzig machen müssen. Aber das ist schon in Ordnung.«
»Sie wollen nicht wiederkommen, wenn es kühler ist?«
»Sie meinen, mitten in der Nacht? Ich bin inzwischen mehr als drei Wochen in Bangkok und habe noch keinen einzigen kühlen Tag erlebt. Es ist immer heiß. Möchten Sie hier in dem klimatisierten Raum bleiben? Kein Problem. Bringen Sie mich nur zu dem Wagen, dann komme ich allein zurecht.«
Suriya spricht kein Englisch und wartet, bis ich alles für ihn übersetzt habe. Er hat den Professionalismus von Kimberley Jones, ihre Ausrüstung und ihre Entschlossenheit wahrgenommen und versteht mein Problem. Er ist ein sensibler, intelligenter Mann; ich spüre sein Mitgefühl, was dazu führt, daß mir noch elender wird. Ich sehe ihn hilflos an.
»Sie haben keine Ahnung, wo der Wagen sich befinden könnte?«
Er beißt sich vor Konzentration auf die Unterlippe.
»Vielleicht da drüben«, sagt er und deutet in Richtung Fluß, »oder dort«, er wendet sich nach Norden, »oder da«, sein Finger weist in Richtung Süden. »Aber wenn ich so überlege, denke ich, daß er hier ist« – er zeigt nach Westen. Kimberley Jones, die seine Bewegungen verfolgt hat, lächelt nachsichtig.
»Wissen Sie was? Ich glaube, ich mache Fortschritte. Vor zwei Wochen wäre ich noch ausgerastet, wenn ich gemerkt hätte, daß jemand seine Arbeit nicht ordentlich erledigt, aber jetzt begreife ich, was Sie meinen. Was macht’s schon, wenn wir zwanzig Minuten nach dem Wagen suchen müssen? Es geht ja nicht um Leben und Tod. Die Welt ist nun mal nicht perfekt, und Westler wie ich sollten aufhören, sich aufzuführen, als müßte sie es sein. Finden Sie nicht auch, daß ich mich gebessert habe? Also, tun wir dem Mann einen Gefallen und sehen wir uns nach dem Wagen um.« Sie schenkt Suriya ein strahlendes Lächeln, das dieser erwidert. Draußen in der Hitze ergreift sie kurz meinen Arm. »Und noch etwas: Ihr System funktioniert besser als unseres, jedenfalls auf der psychologischen Ebene. Wenn man zu inkompetenten Leuten nett ist, sind sie ebenfalls nett. Blafft man sie an, bleiben sie trotzdem inkompetent, und was nützt es schon, sich Feinde zu machen?«
»Da haben Sie recht.«
»Das klingt sogar ein bißchen buddhistisch, finden Sie nicht? Ich habe das Gefühl, daß Sie mich auf einen spirituellen
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