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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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bewußt.«
    »Das klingt, als wärst du dir durchaus darüber bewußt, Mutter.«
    »Denk doch mal darüber nach«, brüllt sie zurück. »Du bist ein siebzigjähriger farang- Mann , und in den letzten zwanzig Jahren ist dein Sexleben zuerst ausgesprochen langweilig geworden und dann ganz eingeschlafen. Wahrscheinlich wirst du innerhalb der nächsten zehn Jahren sterben, und in den letzten fünf hast du nicht mal mehr an Sex gedacht. Du hast dich daran gewöhnt, daß deine Lieben dich für einen altersschwachen Trottel halten, der den Anstand besitzen sollte, endlich das Zeitliche zu segnen, damit sie das Haus erben können.«
    Meine Mutter spielt natürlich auf Florida an, genauer gesagt auf Miami, wo alle auf dem Weg ins Altenheim oder heraus waren. Ich muß ein paarmal blinzeln, als mir Dan Rusk einfällt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine haarige alte Hand, so riesig, daß sie das gesamte Hinterteil meiner Mutter bedeckte. Die Fahrt vom Flughafen zu seiner »Bude« in einem U-Haul-Truck war endlos. In der riesigen Küche und den anderen großen leeren Räumen spürte man seine Einsamkeit so deutlich, als wäre er auf einem Planeten mit der doppelten Schwerkraft der Erde gelandet. Die alltäglichsten Aktivitäten – besonders Gespräche – erforderten übermenschliche Anstrengung. Es dauerte nur eine Woche, bis meine Mutter ihre einzige Verwandte anrief, die ein Telefon ihr eigen nannte, damit diese sich einen Notfall in der Familie ausdachte – ich weiß nicht mehr, was ihrer Mutter angeblich Schreckliches widerfahren war, aber jedenfalls brachte Rusk uns nach Miami zurück und kam für die nicht existenten Krankenhauskosten auf. Nie zuvor waren wir so froh gewesen, wieder in Krung Thep mit seiner unbeschwerten Vitalität zu sein. »Deine Sicht des Menschen ist immer schon sehr positiv gewesen.«
    »Dann erwähnt eines Tages jemand in deinem Altersheim Viagra. Ein alter Kauz, von dem sogar du denkst, daß er’s nicht mehr lange macht, flüstert dir ins Ohr, er hätte kürzlich eine Woche in Bangkok verbracht, die blaue Pille probiert und eine Erektion gekriegt, die vier Stunden anhielt. In der Zeit hätte er drei oder vier junge hübsche Frauen befriedigt. Tja, was würdest du tun?«
    »Ich verstehe, was du meinst.«
    »Du würdest dich in deiner Eile, einen Platz im nächsten Flieger nach Krung Thep zu kriegen, fast an deinem Gebiß verschlucken. Der Markt muß einfach wachsen. Es gibt mehr als fünfzehn Millionen amerikanische Männer über fünfundsechzig, die von ihren Frauen und Kindern selbst in den besten Zeiten wie ein Stück Dreck behandelt worden sind. Und mit über Fünfzig sind in Amerika die besten Zeiten nun mal vorbei, egal, wieviel Geld man hat.«
    Sie drückt ihre Zigarette aus. »Sie lassen es sich gefallen, weil sie schon lange keine Alternativen mehr sehen. Aber jetzt habe ich gute Nachrichten für sie. Die Frage ist bloß, ob sie Discomusik, Techno, den ganzen Rummel wollen – sie sind wahrscheinlich sowieso zu taub, um das alles zu hören. Wollen sie wirklich jungen Mädchen zuschauen, die sich um Stahlstangen winden? Natürlich nicht. Sie wünschen sich das passende Ambiente für ihre Altersgruppe und ihre Bedürfnisse.«
    »Sauerstofflaschen hinter der Bar? Ein Notarztwagen draußen auf der Straße? Warum baust du nicht gleich eine Krankenstation ans Bordell an?«
    »Bitte nenn es nicht so. Ich verhelfe alten Menschen zu einer Libido-Therapie. Was ich dir gerade zu erklären versuche, ist das Timing.«
    »Das Timing?«
    »Genau. Ein junger Mann bekommt eine Erektion, wenn eine Frau ihn erregt. Das Gewerbe basiert seit zehntausend Jahren auf dieser biologischen Tatsache.«
    »Worauf sollte es sonst basieren?«
    »Das heißt, wir sind immer noch eine primitive Industrie, ganz und gar von der Natur abhängig. Wir befinden uns nach wie vor im Stadium des Jagens und Sammelns. Aber auf dem Markt, den wir im Auge haben, bekommt der Kunde ziemlich genau eine Stunde nach Einnahme der Pille eine Erektion. Wir haben uns von Mutter Natur emanzipiert und die Kontrolle über das Timing übernommen. Der Kunde hat ein Zeitfenster von vier Stunden, das er bestimmt nicht mit Biertrinken und Musikhören vergeuden möchte. Vielleicht will er sich hinterher ausruhen, aber seine Priorität ist es, die Wirkung der Pille zu nutzen. Besonders, wenn er weiß, daß sie möglicherweise einen Herzinfarkt verursacht.«
    Ich blinzle ob der Widersprüchlichkeit ihrer Argumentation. Sie zündet sich eine weitere

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