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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sie allein. Bei einem Mann ist es umgekehrt. Aber das wissen Sie ja sicherlich aus Erfahrung.«
    »Das ist eine nicht ganz korrekte Verallgemeinerung. Natürlich sind Frauen intuitiver veranlagt, doch ich müsste sehr weit ausholen, um Ihnen das zu erklären. Aber zeigen Sie ihm denn, wenn Sie unglücklich sind?«
    »Nein. Ich versuche es mit mir selbst auszumachen. Und in der Regel gelingt mir das auch.«
    »Und wenn Sie über einen sehr langen Zeitraum hinweg unglücklich sind? Merkt er es?«
    Viola Kleiber sah Richter an, als würde sie ahnen, was hinter dieser Frage steckte. Sie wurde ernst, kein spöttisches Lächeln, kein Aufblitzen der Augen.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Dann will ich die Frage ganz direkt stellen. Gibt es etwas aus Ihrer Kindheit oder Jugend, das Sie belastet? Einmal abgesehen von Ihrem Stiefvater.«
    »Ja, das gibt es«, antwortete sie. »Aber das ist mir erst vor kurzem klar geworden. Und deshalb bin ich eigentlich auch zu Ihnen gekommen. Gratuliere, Sie haben gerade eben den ersten Punkt gemacht. Ich habe schon die ganze Zeit darauf gewartet, dass Sie diese Frage stellen.«
    »Und was belastet Sie?«
    Viola Kleiber schaute auf die Uhr und sagte: »Ich denke, es ist Zeit für mich zu gehen. Ich gebe Ihnen aber die Gelegenheit, selbst eine Antwort auf diese Frage zu finden. Und wenn Sie nicht darauf kommen, werde ich Ihnen helfen.«
    »Wurden Sie missbraucht?«
    Viola Kleiber lachte kurz auf, schüttelte den Kopf, und da war wieder dieses spöttische Aufblitzen der Augen. »Wenn Sie sexuellen Missbrauch meinen, muss ich Sie leider enttäuschen. Aber es gibt auch andere Formen von Missbrauch. Oder Misshandlungen. Oder Erlebnisse, die man über Jahre hinweg verdrängt hat und die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen und einen nicht zur Ruhe kommen lassen, weil man das, was man erlebt hat, nicht mehr vergessen kann. Ich habe Sie doch gefragt, ob Sie an Astrologie glauben. Ich habe mir vor nicht allzu langer Zeit ein Horoskop erstellen lassen. Und ich war erstaunt, wie viel Wahrheit doch darin steckt. Ich habe nie an Astrologie geglaubt, sondern nur das, was ich mit meinen fünf Sinnen wahrnehmen konnte, habe Astrologie für Hokuspokus gehalten. Nun, ich habe mich eines Besseren belehren lassen müssen. Ich habe meine gesamte Persönlichkeit in diesen fünfzig Seiten wieder gefunden.«
    »Was für ein Sternzeichen sind Sie?«, fragte Richter.
    »Krebs. Und Sie?«
    »Skorpion«, antwortete Richter.
    »Mein Aszendent ist Skorpion. Skorpione können recht schwierige Menschen sein, aber das weiß ich erst, seit ich mich mit Astrologie ernsthaft beschäftige. Mein Mann ist übrigens Fisch, vermutlich ein Grund, weshalb wir uns so gut verstehen – auch ohne Worte. Nun, ich will Sie nicht länger aufhalten, und außerdem habe ich noch eine Menge zu erledigen.«
    Sie stand auf, zog ihre Jacke über und nahm die Tasche vom Boden. Richter erhob sich ebenfalls. »Was halten Sie eigentlich von Hypnose?«
    Viola Kleiber lächelte. »Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Wollen Sie es etwa bei mir versuchen?«
    »Vielleicht. Aber das geht nur, wenn Sie auch innerlich bereit dafür sind.«
    »Ich werde es mir überlegen. Einen schönen Tag noch. Und vergessen Sie mich nicht.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Das überlasse ich ganz Ihnen. Sie sind doch intelligent genug, um das zu verstehen, oder? Wir sehen uns am Montag um zehn?«, fragte sie im Hinausgehen.
    »Montag um zehn.«
    »Gut, und ich werde mir überlegen, ob ich Ihnen gestatte, mich zu hypnotisieren.«
    Richter blieb in der Tür stehen und sah ihr nach, bis sie in ihren BMW gestiegen war. Sie winkte ihm noch einmal kurz zu, das erste Mal, seit er sie kannte, tat sie das, und er winkte zurück.
    Wieder in seinem Büro, schenkte er sich einen Cognac ein und stellte sich ans Fenster. Viola Kleiber wurde immer mysteriöser, unergründlicher für ihn. Er würde sich die von der Sitzung gemachten Notizen morgen noch einmal ansehen. Sie hatte einige Dinge gesagt, die ihn nachdenklich stimmten. Und er wusste jetzt, dass seine Vermutung zutraf, was ihre Kindheit anging. Aber genauso sicher war er, dass sie noch längst nicht bereit war,darüber zu sprechen. Und bestimmt würde sie auch eine Ausrede erfinden, weshalb sie sich einer Hypnose verweigerte.
    Er trank aus, stellte das Glas auf den Tisch, sah auf die Uhr, Viertel nach elf. Er steckte sein Handy in die Tasche, warf einen kurzen Blick ins Schlafzimmer, wo Susanne noch immer tief und

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