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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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funktioniert?«, fragte sie zweifelnd, den Kopf zur Seite geneigt, und sah Richter an. »Ich meine, das hört sich an wie irgendetwas Esoterisches. Astrologie zum Beispiel.«
    »Es funktioniert natürlich nicht immer. Wenn die Polizei geschlampt hat und eventuell hilfreiche Spuren verwischt wurden, weil jemand die Leiche angefasst oder sie zugedeckt hat, um die Würde des Toten zu wahren, wenn die Lage verändert wurde oder plötzlich Dinge auf den Fotos erscheinen, die ursprünglich nicht dort waren, dann wird es für den Profiler schwieriger. Nur anhand genauester Dokumentation und akribischer Arbeit der Spurensicherung und der Kriminaltechnik kann ein Profiler einigermaßen gut arbeiten.«
    »Und Sie haben sich noch nie geirrt?«, fragte sie in einem Ton, der Richter aufhorchen ließ.
    »Natürlich habe ich mich in bestimmten Punkten auch schon geirrt. Keiner ist unfehlbar. Aber in der Regel ist die Trefferquote sehr hoch.«
    »Also doch vergleichbar mit Astrologie?«
    »Nein, das eine hat mit dem andern überhaupt nichts zu tun. Die Astrologie gehört in den Bereich der Esoterik, die Psychologie ist eine Wissenschaft. Und um Ihre Frage vom Montag zu beantworten, ob ich an die Sterne glaube – ich habe mich schon oft mit meinem Freund Lewell lang und breit über dieses Thema auseinander gesetzt, ich habe mir sogar ein Horoskop von ihm erstellen lassen. Und ja, es ist erstaunlich, wie genau das auf mich zutrifft.«
    »So, so«, meinte sie spöttisch lächelnd, »erst sagen Sie mir, Sie hätten sich noch keine Gedanken über Astrologie gemacht, und jetzt rücken Sie mit der Wahrheit raus. Aber Astrologie wird von den Männern sowieso belächelt, zumindest nach außen hin. Weiberkram, sagt ihr, in Wirklichkeit glaubt ihr daran. Was soll’s … Und Sie meinen, Sie können der Polizei entscheidende Hinweise liefern, was die Morde betrifft?«, fragte Viola Kleiber.
    »Mal sehen. Aber lassen Sie uns doch lieber wieder über Sie selbst sprechen. Haben Sie Angst vor dem Tod? Ich meine, wenn Sie hören, dass junge attraktive Frauen scheinbar sinnlos abgeschlachtetwerden?«, fragte Richter. »Sie sind schließlich auch noch jung und sehr attraktiv, wenn ich das bemerken darf.«
    Viola Kleiber zuckte die Schultern. »Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht. Ich denke, der Tod ist ein neuer Anfang. Man wird geboren, man lebt, man stirbt. Und was danach ist – keine Ahnung. Aber Angst, nein. Nicht vor dem Tod. Eher vor einem langen Dahinsiechen, vor Schmerzen, vor einer schweren Krankheit. Am liebsten möchte ich im Bett sterben, einschlafen und nicht mehr aufwachen.« Sie drehte sich um und lehnte sich an die Fensterbank.
    »Und was machen Ihre – Depressionen?«
    »Sie kommen und gehen. Ich denke, ich kann damit leben. Ich habe mich mit ihnen arrangiert. Sie traktieren mich nicht zu sehr, und ich gestatte ihnen einen gewissen Freiraum. Und außerdem habe ich ja Valium und Cognac, wenn’s zu schlimm wird.«
    »Haben Sie seit Montag Valium und Cognac genommen?«
    »Es hat sich in Grenzen gehalten.«
    »In Ordnung. Wie wäre es, wenn wir jetzt einmal über Ihre Kindheit sprechen würden? Ich weiß, Sie wollten bisher nicht darüber reden, trotzdem würde es mich interessieren. Erzählen Sie mir etwas über Ihr Elternhaus. Haben Sie Geschwister, oder sind Sie ein Einzelkind?«
    Sie sah Richter durchdringend und ohne eine Miene zu verziehen an.
    »Ich habe keine Eltern und keine Geschwister«, sagte sie und ging vom Fenster weg. »Meinen leiblichen Vater kenne ich nicht. Und der Mann, der mein Vater sein wollte, ist …« Sie hielt inne, kaute auf der Unterlippe und blickte zu Boden.
    Als sie nicht weitersprach, fragte Richter: »Was ist mit diesem Mann?«
    »Nichts. Gar nichts. Er war nur nie in der Lage, eine Vaterrolle zu übernehmen. Er gab sich zwar hin und wieder Mühe, aber es gelang ihm nicht. Er war Geschäftsmann, hat eine Menge Geldverdient, wir konnten uns alles leisten. Aber dafür gab es keine Liebe. Weder von ihm noch von meiner Mutter. Sie zog es vor, in der Weltgeschichte herumzureisen, anstatt die Zeit mit mir zu verbringen. Nun, das ist Vergangenheit und vergessen. Ich habe sehr früh gelernt, mein eigenes Leben zu leben. Und jetzt habe ich einen Mann, der mir alle Liebe gibt, zu der er fähig ist.«
    »Was meinen Sie damit, er gibt Ihnen alle Liebe, zu der er fähig ist? Es hört sich nach einer Einschränkung an.«
    »Das zu beurteilen, Professor Richter, überlasse ich Ihnen.«

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