Der Jäger
fest schlief, und verließ das Haus. Er würde bei seinem Stammitaliener in aller Ruhe ein reichhaltiges Mittagessen einnehmen, bevor er ins Präsidium fuhr. Viola Kleiber ging ihm nicht aus dem Kopf. Wenn er jemals eine Traumfrau gehabt hatte, dann war sie es. In ihrer Gegenwart fühlte er sich wie ein pubertärer Jüngling, hatte Schmetterlinge im Bauch, glaubte sogar an so etwas wie Liebe. Aber er war fünfzig und sie vierzehn Jahre jünger – und glücklich verheiratet. Behauptete sie zumindest. Ob es stimmte, würde sich noch herausstellen.
Donnerstag, 11.30 Uhr
Als Durant und Hellmer ins Präsidium zurückkehrten, war nur Berger im Büro. Kullmer und Güttler waren bei Schneider in der Computerabteilung, ein Großteil der Beamten war mit der Sichtung und Auswertung des bisher vorliegenden Materials beschäftigt, manche führten noch Befragungen durch, unter anderem in der Nachbarschaft von Vera Koslowski und in ihrer Agentur. Berger war eingenickt, sein Kinn lag auf der Brust, er atmete schwer. Als die Tür aufging, schreckte er hoch. Julia Durant konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und dachte, dass sein Nickerchen dem Alkohol zuzuschreiben war.
Berger rieb sich die geröteten Augen und setzte sich aufrecht hin. »Entschuldigung«, sagte er, »ich habe letzte Nacht kaum ein Auge zugekriegt. Erzählen Sie, was ist mit diesem Lewell?«
Durant stellte sich ans Fenster, während Hellmer zwei Becher Kaffee holte und einen davon der Kommissarin reichte.
»Kopfschuss, heute Nacht. Es hat ihn im Schlaf erwischt. Irgendwer hat einen Schlüssel zu seinem Haus. Und dieser Jemand wollte nicht, dass wir Lewell auf den Zahn fühlen. Dieser Idiot könnte noch leben, wenn er gestern sein Maul aufgemacht hätte. Aber wahrscheinlich wollte er den Täter selbst überführen …«
Hellmer unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Meine Theorie ist, dass Lewell, nachdem wir bei ihm waren, ein Verdacht gekommen ist, wer für die Morde verantwortlich sein könnte. Er hat vielleicht versucht, denjenigen, vermutlich seinen besten Freund, so weit zu bringen, dass er sich verrät. Hat er aber offensichtlich nicht, denn dann hätte Lewell mit Sicherheit bei uns angerufen und uns seinen Verdacht mitgeteilt, auch wenn er die Bullen wie die Pest gehasst hat. Er hätte ja fürchten müssen, dass auch sein Leben in Gefahr ist. So fühlte er sich aber sicher und hat nichts ahnend den Abend allein verbracht. Irgendwann um Mitternacht oder kurz danach ist dieser Freund aber mit einem Schlüssel in das Haus gekommen und hat ihn aus dem Weg geräumt. Eiskalt …«
»Und woher sollte derjenige den Schlüssel haben?«, fragte Berger, der mit einem Mal hellwach war.
»Das hab ich vorhin schon Frau Durant zu erklären versucht. Wenn man allein stehend ist und keine Verwandten hat, gibt man häufig dem besten Freund oder der besten Freundin einen Schlüssel für alle Fälle, falls mal was passiert oder die Blumen gegossen werden müssen, wenn man nicht da ist.«
»Hat er keine Putzfrau gehabt?«, wollte Berger wissen.
Durant und Hellmer sahen sich an, sagten kein Wort, nur ihre Blicke sprachen Bände.
»Hat er, oder hat er nicht?«
»Keine Ahnung«, sagte Hellmer verlegen. »Wir haben es noch nicht überprüft. Aber wahrscheinlich hat er eine gehabt. Er wird das Haus ja wohl kaum selbst sauber gehalten haben. Wir finden das raus. Das bedeutet aber noch längst nicht, dass sie einenSchlüssel hat. Lewell hat schließlich zu Hause gearbeitet, und wenn sie kam, musste sie vermutlich klingeln. Ich denke nicht, dass sie einen hatte.«
»Überprüfen Sie es trotzdem. Und weiter?«
»Es gibt nichts weiter. Nur, dass der Mann, der uns den Mörder hätte liefern können, jetzt tot ist. Den Kerl muss der Teufel geritten haben, oder er hatte einen solchen Hass auf die Polizei, dass er uns gestern erst mal auflaufen ließ. Der hat mit Sicherheit alle Frauen gekannt, hat nach unserem Besuch zwei und zwei zusammengezählt, und dabei ist ihm vermutlich mit einem Mal die große Erkenntnis gekommen. Anders kann ich es mir nicht vorstellen«, sagte Hellmer.
»Und Sie, Frau Durant?« Berger drehte sich mit seinem Stuhl und sah sie an.
»Kann schon sein, dass es sich so abgespielt hat. Kann aber auch sein, dass dieser Mord nichts mit unseren andern Fällen zu tun hat.«
»Ach komm!«, sagte Hellmer und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das glaubst du ja wohl selbst nicht. Seine Unterlagen sind verschwunden, sein Computer ist leer, aber es
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