Der Jäger
mit unfairen Mitteln kämpfen. Das fängt ganz oben bei unseren Herren Politikern an und hört unten bei den kleinen Leuten auf. In Momenten wie diesen hasse ich dieses Leben. Ich bin einfach nur fertig.«
»Ich hab die Kollegen infor…« Hellmer hielt mitten im Wort inne, als Nadine ihn mit einer Handbewegung stoppte. Er verließ das Zimmer. Julia Durant hatte ihren Kopf an Nadines Schulter gelegt. Sie weinte.
Donnerstag, 18.40 Uhr
Richter war nach seinem Besuch im Präsidium kurz in der Stadt, hatte sich zwei neue Hemden gekauft und war anschließend nach Hause gefahren, um sich für den Abend mit Jeanette Liebermann frisch zu machen. Er war etwa eine Stunde allein, als seine Frau Susanne heimkam. Sie wirkte abgehetzt, ihre Haare waren zerzaust. Wortlos ging sie ins Wohnzimmer und schaltete einen Actionthriller auf Premiere an. Sie holte sich ein Glas Wein, eine Tüte Chips und legte sich auf die Couch. Er war erstaunt, sie um diese Zeit zu Hause anzutreffen, ließ sich dieses Erstauntsein aber nicht anmerken. Er ging zu ihr, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, die salzig schmeckten.
»Hallo, Schatz, du bist ja schon zu Hause. Hast du heute nichts vor?«
»Nee, keine Lust. Ich dachte, wir könnten den Abend vielleicht zusammen verbringen. Wir könnten essen gehen und …«
Richter unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Ich würde nichts lieber tun als das, aber ich muss leider noch weg. Und es kann sehr spät werden. Du brauchst also nicht auf mich zu warten.«
Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wo musst du denn jetzt noch hin? Ich habe mich so auf den Abend gefreut«, schmollte sie.
»Liebling, ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten auch oft auf einen Abend mit dir gefreut, und du warst nicht da. Und das, was ich zu tun habe, ist rein geschäftlich.«
»Und was ist es, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe dir doch gesagt, ich arbeite im Augenblick mit der Polizei zusammen. Und wir müssen heute Abend noch einige Tatorte besichtigen, damit das Täterprofil auch wirklich stimmig ist«, log er.
»Kann ich wenigstens mitkommen? Mir ist langweilig.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht. Es sind nur ein paar Beamte und ich.«
»Und welche Beamte?«, fragte sie mit einer Prise Spott in der Stimme, als würde sie spüren, dass er sie anschwindelte.
»Was willst du eigentlich? Ich gestatte mir einmal, wegzugehen, und zwar ohne dich, und du machst hier gleich einen Aufstand. Was soll das? Frage ich dich jedes Mal, mit wem du zusammen bist, wenn ich meine Abende hier allein verbringe?«
»Dann sollten wir uns trennen«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Ich denke, es war sowieso ein Fehler, dass wir geheiratet haben. Okay, geh, ich werde mir den Abend schon irgendwie vertreiben.«
»Liebling, warum gleich so hart?«, sagte er lächelnd. »Ich habe einen Beruf, und den nehme ich sehr ernst. Und in diesem Fall muss ich mein Bestes geben. Also schlag dir das mit der Trennung wieder aus dem Kopf. Wir sind die letzten zwei Jahre gut miteinander ausgekommen, und ich denke, wir werden uns auch in Zukunft irgendwie arrangieren. So, und jetzt geh ich duschen und mich umziehen.«
»Du willst doch nur ein paar Tatorte besichtigen. Wozu musst du dann jetzt duschen? Ist da eine hübsche Frau dabei?«
»Ja, eine sehr hübsche sogar«, antwortete er. »Aber keine Sorge, sie kann dir nicht das Wasser reichen, zumindest, was das Aussehen betrifft. Zufrieden?«
»Um was für Morde geht es eigentlich?«, wechselte sie das Thema.
»Frauenmorde.«
»Wie viel?«
»Fünf.«
»Und kenne ich eine von ihnen?«
»Ja, du kennst sogar drei. Carola Weidmann, Judith Kassner und Vera Koslowski.«
»Das mit Carola wusste ich, aber die andern beiden? Wann ist das passiert?«
»In den letzten Tagen. Und deswegen bin ich von der Polizei gebeten worden, ihnen bei den Ermittlungen zu helfen. Ist deine Neugier damit befriedigt?«
»Was hat der Mörder mit ihnen angestellt?«
»Ich kann und darf dir keine Details nennen. Außer der Polizei und mir kennt niemand die Akten.«
»Warum ist das so geheim?«, fragte sie und steckte sich ein paar Chips in den Mund.
»Weil nicht jeder Hinz und Kunz wissen darf, wie der Täter vorgeht. Die Presse kriegt auch nur das Nötigste. Die wesentlichen Details werden zurückgehalten. Es ist eine rein taktische Maßnahme. Susanne, ich muss mich jetzt aber beeilen, sonst komme ich noch zu spät.«
»Ja, schon gut, dann hau doch ab. Du verdirbst einem aber
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