Der Jäger
stiegen aus, überquerten die Straße, wiesen sich einem uniformierten Beamten gegenüber aus und gingen unter der Absperrung durch.
Es war eine makabre Szenerie, das gleißende Licht, der Fotograf, der gerade seine Arbeit verrichtete, Professor Morbs von der Rechtsmedizin und die Männer und Frauen der Spurensicherung, die nur darauf warteten, endlich mit ihrer Arbeit beginnen zu dürfen, und die acht Streifenpolizisten, die dem Geschehen schweigend zusahen.
»Wer hat sie gefunden?«, fragte Durant den Kollegen vom KDD, der sie angerufen hatte.
»Der alte Mann dort. Er sagt, er würde immer um diese Zeit hier spazierengehen, weil er nicht schlafen kann. Wie sie hierher gekommen ist, hat er aber nicht gesehen. Wir müssen einfach abwarten, was Morbs gleich sagt.«
»Danke.«
Der Fotograf hatte seine Arbeit beendet, Morbs, der die ganze Zeit auf einer Bank gesessen hatte, nahm seine Tasche, um die Tote zu untersuchen. Julia Durant ging zum Fundort, der unter ein paar dicht an dicht stehenden niedrigen Tannen lag, und verharrte ein paar Sekunden regungslos vor dem toten Mädchen. Wie bei noch keinem Opfer zuvor fühlte sie eine unsägliche Wut und tiefe Trauer in sich aufsteigen. Ohnmacht. Sie ging in die Hocke, betrachtete das Gesicht mit den langen braunen Haaren, das im grellen Licht der Scheinwerfer unnatürlich grau wirkte. Ihre Lippen waren blutleer, die Augen blutunterlaufen und weit aufgerissen, als starrten sie die Kommissarin an. »So ein hübsches Mädchen«, sagte sie leise und war fast geneigt, über ihr Gesicht zu streicheln, um ihr ein wenig von ihrer Wärme abzugeben.
Morbs kam zu ihr, stellte seine Tasche ab, zog die obligatorischen Plastikhandschuhe an. »Ganzer schöner Mist, was? Sie ist wirklich ein hübsches junges Ding«, sagte er mit belegter Stimme, die Durant von ihm gar nicht kannte. Er, der sonst eher zu morbiden Scherzen aufgelegt war oder sarkastische Bemerkungen machte, weil er anders diesen Job womöglich nicht ertragen hätte, zeigte so etwas wie Mitgefühl.
»Ich hab sie am Dienstag noch gesehen«, seufzte Julia Durant und schüttelte ratlos den Kopf. »Achtzehn Jahre alt! Und in ein paar Tagen wäre sie neunzehn geworden.«
Morbs zuckte die Schultern und machte ein bedrücktes Gesicht, während er sich über die Tote beugte. »Schafft den dort mal weg«, sagte er und deutete auf den alten Mann, der die junge Frau gefunden hatte.
Er begann Maria van Dyck zu entkleiden. Wortlos. Er warf einen Blick zwischen ihre Beine, nickte nur und gab Durant ein Zeichen, sich die Nadel anzusehen.
»Das Gleiche wie bei den anderen. Ich messe noch die Temperatur, dann lass ich sie in die Rechtsmedizin bringen. Aber es wird mit Sicherheit nichts Neues dabei rauskommen«, erklärte er.
Durant winkte Hellmer zu sich. »Sag mal, die Kleine hier wäre doch niemals mit einem Fremden mitgefahren, wenn sie unter Angstzuständen gelitten hat? Richtig?«
»Richtig.«
»Wenn das so ist, dann muss sie zu jemandem ins Auto gestiegen sein, den sie kannte. Sie hatte aber keine Freunde, sondern nur zwei Freundinnen. Was sagt dir das?«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst? Könntest du vielleicht ein bisschen deutlicher werden?«
»Sie ist mit ihrem Wagen irgendwohin gefahren, wohin, das entzieht sich bis jetzt unserer Kenntnis. Sagen wir mal, jemand hat sie beobachtet und ist ihr unauffällig gefolgt.«
»Ja und? Sie hat doch keinen Grund, zu jemand anderem in den Wagen zu steigen, wenn sie mit ihrem eigenen unterwegs ist. Es ist noch sehr früh am Morgen, was?«, sagte er und sah Julia Durant mitleidig an.
»Scheiße, ja!« Sie fasste sich an die Nasenwurzel und überlegte. »Aber sie ist mit Sicherheit nicht entführt worden. Sie kannte den Täter und hat ihm bedingungslos vertraut. Ist ihr Wagen schon gefunden worden?«
»Ich hab nachgefragt, bis jetzt nicht.«
»Ist in allen Parkhäusern nachgesehen worden?«
»Wieso in Parkhäusern?«, wollte Hellmer wissen.
»Irgendwo muss doch diese verdammte Karre sein! Ich will, dass sämtliche Parkhäuser gecheckt werden, und zwar sofort. Das Auto kann sich nicht in Luft aufgelöst haben. Alle verfügbaren Beamten und Streifenwagen sollen sich auf die Suche machen.Erst wenn wir den Wagen haben, wissen wir vielleicht, wo sie gestern Nachmittag hingefahren ist. Erledigst du das bitte?«
»Klar.«
Und an Morbs gewandt: »Wie lange ist sie schon tot?«
»Schwer zu sagen. So zwischen vier und sechs Stunden.«
»Das heißt, sie könnte um eins noch
Weitere Kostenlose Bücher