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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zu tun haben wollte. Hatte er überhaupt Freunde? Ich weiß nur, dass er sich quer durch alle Betten gevögelt hat. Aber was soll’s, er hat nun mal zu unserer Clique gehört …«
    »Clique?«
    »Wie soll ich es sonst nennen? Wir sind ein bestimmter Kreis von Männern und Frauen, die sich regelmäßig treffen. Oder besser gesagt, in unregelmäßiger Regelmäßigkeit. Auch bei Lewell haben wir uns getroffen. Fragen Sie meine Frau nach ihm, sie kennt ihn besser. Viel besser.« Beim letzten Satz zeichnete sich ein zynischer Zug um van Dycks Mund ab, und er warf einen kurzen Blick hinter sich. Seine Frau stand noch immer an der Bar und trank einen weiteren Cognac, und irgendwann, so vermutete Durant, würde sie betrunken umfallen. Sie war schon jetzt kaum noch in der Lage zu stehen.
    »Ein andermal. Können wir noch etwas für Sie tun?«
    Van Dyck schüttelte den Kopf. »Was sollen Sie jetzt schon noch tun können? Finden Sie das verdammte Schwein, das meiner Tochter das angetan hat! Der mir das angetan hat. Maria war mein Ein und Alles. Wenn ich jemals einen Menschen wirklich geliebt habe, dann sie. Und sie ist die Letzte, die verdient hat, so zu sterben.«
    »Hatte sie eigentlich einen Freund?«
    »Nein. Maria hatte irgendwie Angst davor, sich mit einem Jungen einzulassen. Aber das ist ja wohl auch auf ihre Angstzustände und Panikattacken zurückzuführen. Hab ich Ihnen das nicht schon am Dienstag erzählt?«
    »Ja, haben Sie. Und auch, dass sie bei Professor Richter in Behandlung war.«
    Das Telefon klingelte, van Dyck ging ran.
    »Ja? … Nein, ich komme heute nicht. Ihr müsst ohne mich drehen … Warum? Meine Tochter ist ermordet worden!«, schrie er, legte den Hörer auf und drehte sich um. »Meine Tochter ist ermordet worden! Wie sich das anhört. Sie war so unschuldig, auf eine ganz besondere Weise naiv und doch so klug. Trotz ihrer Angstzustände hat sie das Abi mit einer glatten Eins bestanden. Ich war so stolz auf sie. Und jetzt? Was hat sie jetzt davon? Sagen Sie’s mir?«
    »Herr van Dyck, wir müssen leider gehen. Auf uns wartet eine Menge Arbeit. Passen Sie auf sich auf … Und vor allem auf Ihre Frau. Wir melden uns auf jeden Fall noch mal bei Ihnen.«
    Van Dyck begleitete die Kommissare hinaus und wartete, bis sie in Hellmers BMW eingestiegen waren. Dann schloss er die Tür und ging zurück ins Haus. Seine Frau stand wie festgewurzelt an der Bar, ein Glas Cognac in der Hand. Van Dyck trat zu ihr, sah sie an, schlug ihr das Glas aus der Hand. Die braune Flüssigkeit verteilte sich auf dem Teppich.
    »Weißt du was, Claudia«, sagte er leise und doch drohend, »Maria könnte noch leben, wenn du nicht wärst. Aber du bist jetzt viel zu betrunken, um den Sinn meiner Worte noch mitzukriegen. Ich will dir trotzdem sagen, wie sehr ich dich verabscheue. Fahr zur Hölle!«
    Sie torkelte, ohne etwas zu entgegnen, an ihm vorbei, hielt sich an der Wand fest und hatte Mühe, die Treppen hochzusteigen. Er sah ihr nach und schlug mit der Faust einige Male mit aller Wucht gegen die Wand. Er stellte sich ans Fenster, sein Blick ging hinaus in den Garten, wo sich Maria immer so gerne aufgehalten hatte. Unten, neben dem Silberahorn, war eine kleine Holzhütte, die er extra für sie zu ihrem elften Geburtstag dort hinstellen ließ. Darin hatte sie sich all die Jahre über oft und gerne aufgehalten, es war ihr Refugium, wo sie versuchte ihrer Angst Herr zu werden.
    Die Sonne war aufgegangen, der Himmel zeigte sich in verschiedenenPastelltönen. Maria hatte die Natur geliebt, Pflanzen, Tiere, den Himmel, die Sterne, den Wind. Selbst im Regen war sie oft draußen gewesen, um die Tropfen auf ihrer Haut zu spüren. Sie war ein seltsames Mädchen gewesen, scheu wie ein junges Reh, immer auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit. Nicht selten hatte sie von Gott und dem Universum gesprochen, aber nur mit ihm, mit Peter van Dyck. Sie war ein besonderes Geschöpf gewesen, das viel zu früh erwachsen sein musste und noch viel früher gezwungen wurde, diese Welt zu verlassen.
    Peter van Dyck hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben, stumme Tränen liefen über sein Gesicht. Er meinte noch immer ihre Stimme zu hören, ihr Lachen, als sie noch klein war und das immer seltener wurde, je mehr sie heranwuchs und die Fesseln der Angst sie fester und fester umschnürten. Er sah sie im Garten herumtollen, ausgelassen wie ein junges Fohlen. Und er hörte ihre Worte, als sie vorgestern verkündete, sie würde doch nicht ausziehen. Er

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