Der Jäger
also probierte sie es in der Redaktion. Er hatte Spätdienst, war sofort am Apparat.
»Kuhn.«
»Hier Durant. Ich wollte mich nur mal kurz melden und mich bei Ihnen für den Hinweis mit dem Parkhaus bedanken. Hiermit löse ich meine Schuld ein, Sie bekommen als Erster die Information, dass wir den Täter oder besser die Täterin gefasst haben. Und das ist nicht zuletzt auch Ihr Verdienst.«
»Gratuliere! Und wer ist es?«
»Den Namen darf ich Ihnen noch nicht nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sie Carmen M. heißt. Kein Foto, keine Details. Machen Sie eine gute und ehrliche Geschichte daraus. Ohne Ihre Hilfe hätten wir sie vermutlich nie gekriegt. Die Idee mit dem Parkhaus war wirklich Gold wert. Vielen Dank.«
»Was war ihr Motiv?«, hakte Kuhn nach.
»Das ist uns selbst noch unbekannt. Vordergründig natürlich der Hass auf Skorpion-Löwe-Frauen. Aber das Warum hat sie uns noch nicht verraten. Sie bekommen die Informationen von mir, sobald ich sie habe. Und jetzt viel Spaß beim Schreiben.«
»Moment, Moment! Wann gehen wir essen?«
»Rufen Sie mich doch morgen Abend mal an. Heute bin ich zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Okay?«
»Ich nehm Sie beim Wort. Dann schlafen Sie mal gut und bis morgen.«
Julia Durant legte auf, duschte kurz, machte sich eine Scheibe Brot mit Salami, hörte noch etwas Musik. Um Viertel nach elf ging sie zu Bett. Sie schlief sofort ein.
Dienstag, 1.45 Uhr
Richter hatte den Abend mit Viola Kleiber genossen. Sie hatten sich über vieles unterhalten, hatten gelacht, ein paar Mal hatten sich ihre Hände wie zufällig berührt. Nachdem sie die Bar verlassen hatten, waren sie zu seinem Haus gefahren, wo Viola Kleiber ihm die Hand reichte und ihm einen leichten Kuss auf die Wange hauchte.
»Danke für den schönen Abend. Ich habe mich wirklich gut unterhalten.«
»Ich habe zu danken, Viola. Sie sind eine wunderbare Frau.«
»Das hat mir schon lange keiner mehr gesagt. Und es freut mich, das aus deinem Mund zu hören. Lassen wir es bei dem Du?«
»Gerne. Wann sehen wir uns wieder?«
»Ich ruf dich an. Vielleicht schon sehr bald. Wie gesagt, ich will endlich leben. Aber ich denke, ich sollte jetzt besser nach Hause fahren, sonst komme ich womöglich noch auf dumme Gedanken.«
»Ja, das wäre vielleicht wirklich besser. Wir heben uns die dummen Gedanken für ein andermal auf. Es war schön mit dir. Und richte bitte deinem Mann
keine
Grüße von mir aus.«
Er wartete, bis sie eingestiegen und losgefahren war. Im Haus war alles dunkel. Er hängte seine Jacke an die Garderobe und ging in sein Büro. Auf dem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Er überlegte, ob er sie abhören sollte, drückte schließlich auf den Knopf. Die erste war von Claudia van Dyck, die ihn erneut um einen Rückruf bat. Nein, nicht bat, sie bettelte darum. Er würde sie nicht zurückrufen. Nicht nach dem heutigen Abend. Er hörte die zweite Nachricht ab, die um kurz vor zehn auf Band gesprochen worden war. »Hier Kommissar Hellmer. Professor Richter, bitte rufen Sie umgehend im Präsidium an, oder setzen Sie sich spätestens morgen früh um acht mit uns in Verbindung. Es ist sehr dringend.«
Richter überlegte, sah auf die Uhr, schüttelte den Kopf. Um diese Zeit würde er keinen der Kommissare mehr antreffen. Er war müde und ausgelaugt und auf eine gewisse Weise auch erleichtert. Es war der Abend, der seinen Tag gerettet hatte. Er ging nach oben, duschte und legte sich ins Bett. Er dauerte lange, bis er einschlief. Zum ersten Mal seit seiner Jugend hatte er Schmetterlinge im Bauch. Ein angenehmes Gefühl.
Dienstag, 7.15 Uhr
Durant wachte um kurz nach vier Uhr auf, stieß einen derben Fluch aus, wälzte sich noch eine Weile im Bett umher, schaffte es aber trotz aller Anstrengungen und Flüche nicht mehr, wieder einzuschlafen. Der vor ihr liegende Tag kreiste unentwegt durch ihren Kopf. Um halb sechs stand sie auf, duschte heiß, zog sich an und frühstückte ausgiebig. Dann rauchte sie eine Zigarette, räumte den Tisch ab und stellte den Cornflakes-Becher und die Kaffeetasse in die Spüle zu dem anderen Geschirr, kippte die Fenster im Schlafzimmer und im Wohnzimmer und leerte den überquellenden Aschenbecher.
Um halb sieben verließ sie das Haus und kaufte sich am Kiosk nebenan eine
Bild
-Zeitung. Auf der Titelseite prangte in großen Lettern: »Die Bestie von Frankfurt – eine Frau!« Sie musste unwillkürlich über die reißerische Schlagzeile grinsen und las den Artikel in ihrem
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