Der Jäger
vorhin nicht erwähnt? Schau einfach in deinen Notizen nach. Und denk vor allem an deine Schweigepflicht. Du würdest dir mit Sicherheit eine Menge Sympathien verscherzen, wenn man herausfinden würde, dass wir eine ganze Nacht durchgefickt haben.«
Sie ging zu ihrem Wagen und stieg ein. Er wartete, bis sie gewendet hatte. Sie winkte ihm noch einmal zu. Richter kehrte ins Haus zurück. Er war verwirrt. Aus dem Schrank holte er die Flasche Cognac und schenkte das Glas halb voll. Erst nach und nach kam ihm zu Bewusstsein, was sie ihm alles gesagt hatte. Seine Hände zitterten, als er sich eine Zigarette anzündete. Schweigepflicht.
Montag, 18.13 Uhr
»Hier, stopp, ganz langsam zurück«, sagte Kullmer. »HG-MD 1211. Aber wer sitzt hinterm Steuer?«
»Keine Ahnung, ist nicht zu erkennen«, erwiderte Hellmer. »Irgendetwas blendet. Können wir das wegnehmen?«, fragte er Seiler.
»Ich kann’s versuchen, aber eigentlich fehlen mir dazu die technischen Möglichkeiten. Vielleicht haben ja Ihre Kollegen beim BKA die nötigen Geräte. Ich kann hier nur bedingt den Kontrast und die Schärfe einstellen und auch Blendeffekte wegnehmen.«
»20.47 Uhr«, murmelte Julia Durant. »Um 20.47 Uhr hat irgendjemand Maria van Dycks Auto aus dem Parkhaus gefahren. Aber es war mit Sicherheit nicht Maria van Dyck. Weshalb hätte sie um diese Zeit aus dem Parkhaus rausfahren und den Wagen gleich darauf um die Ecke in der Berliner Straße abstellen sollen? Wir müssen noch mal das Band zurücklaufen lassen. Sie istum 14.36 Uhr ins Parkhaus gefahren. Wie lange mag sie sich in der Stadt aufgehalten haben? Zwei Stunden? Schauen wir uns mal an, wer ab 16.30 das Parkhaus verlassen hat. Und wir konzentrieren uns auf ein Auto, in dem zwei Personen sitzen.«
Hellmer holte noch vier Cola, Julia Durant rauchte vor lauter Nervosität eine Zigarette nach der andern. Sie starrten wie gebannt auf den Bildschirm, eine halbe Stunde verging, eine Dreiviertelstunde. Einige Male wurde das Bild schnell weiter vorgespult.
Plötzlich zuckte die Kommissarin zusammen. Sie berührte mit dem Zeigefinger den Bildschirm. »Hier! Schau, da ist Maria! Und sie sitzt neben – mein Gott, das darf nicht wahr sein!« Julia Durant wurde kalkweiß im Gesicht, sie zitterte am ganzen Körper. »Frank, siehst du, was ich sehe? Das ist … Ich fass es nicht. Ich fass es einfach nicht. Ich hatte jeden in Verdacht, nur sie nicht. Nicht einmal im Traum hätte ich sie … Herr Seiler, können Sie uns jeweils einen Ausdruck der drei Aufnahmen machen? 14.36 Uhr, 17.44 Uhr und 20.47 Uhr?«
Seiler nickte und drückte ein paar Tasten. Die Ausdrucke waren scharf und ein eindeutiger Beweis. Durant bedankte sich bei Seiler und für die Zeit, die er ihnen geopfert hatte. Sie versprach ihm, dass die Polizei sich für seine Hilfe noch erkenntlich zeigen würde.
»Mein Gott, sie war so ziemlich die Letzte, die ich verdächtigt hätte«, sagte eine sichtlich erschütterte Julia Durant im Hinausgehen. »Dann mal los.«
Montag, 20.17 Uhr
Vor dem Haus von Maibaums.
Es war hell erleuchtet, das Tor geschlossen.
»Wir gehen zu zweit rein, Frank und ich«, sagte die Kommissarinzu Kullmer und warf ihre ausgerauchte Zigarette auf den Bürgersteig. »Uns kennen sie schon. Jetzt ist auch ihr phänomenales Gedächtnis zu erklären. Natürlich konnte sie sich an Juliane Albertz erinnern, sie hat sie ja schließlich umgebracht. Und sie ist charmant, höflich, hat gute Umgangsformen, ist gebildet, alles Attribute, die Richter dem Täter beziehungsweise der Täterin zugeschrieben hat.«
Hellmer drückte auf die Klingel, kurz darauf ertönte eine weibliche Stimme durch den Lautsprecher. Carmen Maibaum.
»Frau Maibaum, wir sind’s noch einmal, Polizei. Wir hätten noch ein paar Fragen.«
»Einen Moment.«
Sie warteten, die Haustür ging auf, Carmen Maibaum kam, bekleidet mit einer weißen Bluse, einem kurzen grauen Rock, schwarzen Strümpfen und Pumps, auf sie zu.
»So spät beehren Sie uns noch?«, sagte sie charmant lächelnd und öffnete das Tor. »Treten Sie ein.«
»Danke«, erwiderte Durant ernst.
Sie begaben sich ins Wohnzimmer, wo Maibaum vor dem Fernsehapparat saß. Er hatte einen Jogginganzug an, die Beine hochgelegt. Als sie eintraten, stand er auf und reichte den Kommissaren die Hand.
»Frau Maibaum, könnten wir Sie bitte allein sprechen?«
»Natürlich. Gehen wir ins Nebenzimmer, dort sind wir ungestört.«
Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
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