Der Jäger
Aufbahrung als auch durch die Nadel. Aber was? Was könnte eine durch die Schamlippen gestochene Nadel bedeuten?«
»Ein Symbol«, bemerkte Kullmer, der, von einer Wolke
Lagerfeld Photo
umhüllt, die Arme auf den Tisch gestützt, Kaugummi kauend Durant gegenüberstand.
»Ha, ha, mir kommen gleich die Tränen – vor Lachen! Natürlich ist es ein Symbol, aber was für eines?!«, erwiderte sie ironisch.
»Dann lachen Sie doch«, entgegnete er ruhig. »Aber was wissen wir denn bis jetzt, welche symbolhafte Bedeutung eine Nadel, eine goldene wohlgemerkt, haben könnte? Gar nichts, weil wir nämlich auch bei den beiden Fällen im vergangenen Jahr dem viel zu wenig Beachtung geschenkt haben. Wir haben gedacht, hier handelt es sich um einen Irren. Sie haben es gedacht, unser Chef hat es gedacht und ich auch. Nur jetzt bin ich nicht mehr überzeugt, dass wir es mit einem Irren zu tun haben. Wer immer das hier macht, ist alles andere als verrückt. Er hat einen Plan, und innerhalb dieses Plans spielt die goldene Nadel eine wichtige Rolle, wenn sie nicht gar der Schlüssel zu allem ist. Die Schläge, die er seinen Opfern beibringt, sind nur Beiwerk. Die einzigen Dinge, die noch zum Symbol passen, sind die abgebissenen Brustwarzen, die rasierte Mu… äh … Scheide, das Waschritual, die Aufbahrung im bekleideten Zustand und die immer gleichen Nadelstiche.« Er hielt einen Moment inne, sah Durant ernst an und fuhr dann fort: »So, jetzt können Sie lachen. Ich habe mir jedenfalls, während Sie weg waren, den Kopf zerbrochen und bin zu dem Schluss gekommen, dass hier ein System vorliegt. Welches, das müssen wir noch herausfinden. Ach ja, eines habe ichnoch vergessen, er hat seine Opfer immer in genau der gleichen Position an den Fundort gelegt. Ich weiß, Sie haben das eben schon gesagt, einen Arm an den Körper gelegt, den andern nach oben gestreckt, als würde er in eine bestimmte Richtung deuten. Jetzt sehen Sie sich aber bitte die Fotos noch mal ganz genau an, und dann sagen Sie mir, was Sie noch erkennen.«
Julia Durant und Hellmer betrachteten eingehend die Fotos und schüttelten den Kopf. Kullmer deutete auf eins von Carola Weidmann. »Hier ist es am besten zu erkennen. Sehen Sie sich die ausgestreckte Hand an. Der Zeigefinger.«
Durant kniff die Augen zusammen. »Der Zeigefinger ist … Verdammt, warum ist uns das bis jetzt nicht aufgefallen?«
»Wozu haben Sie mich?«, fragte Kullmer spöttisch grinsend, um gleich wieder ernst zu werden. »Der Daumen, der kleine, der Ring- und der Mittelfinger sind nach innen gebogen, und es wäre eine Faust, wenn auch der Zeigefinger nach innen gebogen wäre. Aber er ist ausgestreckt, wie eine Verlängerung des Arms. So, und genau das Gleiche finden wir auf den Fotos von Albertz und Müller, wenn auch etwas unschärfer.«
»Er will uns damit tatsächlich etwas sagen oder auch zeigen. Aber was?«, fragte Hellmer nervös und zündete sich eine Zigarette an. »Was will er uns mitteilen? Wo deuten die Finger hin?«
»Die Fundorte«, sagte Durant nach einer Weile, »wir müssen uns noch einmal die Fundorte ansehen. Herr Kullmer, tun Sie mir doch einen Gefallen, schnappen Sie sich einen Kollegen, und fahren Sie die Fundorte ab. Nehmen Sie die Fotos mit, damit Sie die genaue Stellung der Opfer sehen können. Wenn’s geht, heute noch, bei Tageslicht.«
»In Ordnung, kann gleich erledigt werden. Allerdings«, gab Kullmer zu bedenken, »die Orte liegen ziemlich weit auseinander. Parkfriedhof Heiligenstock, Grüneburgpark und Rotlintstraße.« Er warf einen Blick auf die Uhr, kurz nach zwei. »Wir müssten es vor Einbruch der Dunkelheit schaffen. Ich nehmeBergmann mit. Ach ja, bekomm ich jetzt meinen Doktortitel?«, fragte er grinsend, bevor er den Raum verließ.
»Sie haben gute Arbeit geleistet. Danke«, sagte Durant lächelnd. Daraufhin wandte sie sich Berger zu. »Wir brauchen aber auch noch ein paar weitere Leute. Wir haben bei der vermissten Judith Kassner ein Telefonverzeichnis gefunden, das abtelefoniert werden muss. Sie hat meistens nur die Initialen und die Telefonnummern der Gesprächspartner eingetragen, keine Adressen. Wir vermuten, dass sie unter Umständen als Prostituierte arbeitet oder gearbeitet hat. Wir brauchen sämtliche zu den Telefonnummern gehörenden Namen und am besten auch die Adressen.«
»Was?«, entfuhr es Berger. Er lehnte sich zurück, die Arme über dem Bauch verschränkt. »Ich denke, sie ist Studentin …«
»Richtig. Aber Sie hätten ihren
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