Der Jäger
gesagt, seine Frau sei bei Al-Anon gewesen. Stimmt das?«
»Ja, warum?«, fragte Renate Schwab, ohne die Kommissarin anzusehen.
»Weil es wichtig ist. Von wann bis wann waren Sie zusammen?«
»Das Meeting hat um halb acht angefangen, danach sind wir noch zum Griechen gegangen, wie immer«, antwortete die Angesprochene, den Blick weiterhin zu Boden gerichtet.
»Und Sie haben das Lokal gemeinsam verlassen?«, bohrte die Kommissarin nach, die spürte, dass ihr etwas verheimlicht wurde. Die Antwort kam zögernd. »Ja, warum?«
»Sie fragen immer, warum. Gibt es etwas, was wir wissen sollten? Wann haben Sie das Lokal verlassen?«
»Halb elf, elf. Ich hab nicht auf die Uhr geguckt.«
»Und Sie sind gemeinsam zu Ihren Autos gegangen, und Sie haben gesehen, wie Ihre Freundin in den VW Lupo gestiegen und weggefahren ist?«
»Ja, genau so war’s.«
Die Kommissarin sah Renate Schwab durchdringend an. »Komisch, Frau Müller war am Freitag gar nicht wie sonst mit dem Lupo da, sondern hatte den Wagen ihres Mannes genommen, den Mercedes. Also?«
»Ich hab nicht drauf geachtet«, kam die schnelle Antwort. Sie drückte die Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. Sie wirkte noch nervöser als zu Beginn, angespannt, sie wagte nicht, die Beamten anzusehen.
»Frau Schwab, wir sind nicht hier, um irgendwelche Spielchen zu spielen. Wir sind hier, um einen Mord aufzuklären. Einen ziemlich bestialischen Mord. Und jetzt erzählen Sie mir, wie sich der Freitagabend wirklich abgespielt hat.«
»Ich sag doch, dass …«
»Sie sagen, wie er sich nicht abgespielt hat. Was war am Freitag? Warum hatte Ihre Freundin entgegen ihrer sonstigen Gewohnheitden Mercedes dabei? War sie überhaupt mit beim Griechen? Wenn ich’s nicht von Ihnen erfahre, dann sicher von jemand anders. Es gibt bestimmt mehr Leute als nur Sie und Frau Sperling, die in dem Lokal waren.«
Renate Schwab zitterte, Asche fiel auf den Boden, sie kämpfte mit den Tränen. »Okay, okay. Sie war beim Meeting, hat sich aber schon nach einer Stunde verabschiedet. Sie hat gesagt, sie habe noch etwas vor. Wir sollten aber unter gar keinen Umständen ihrem Mann etwas davon erzählen. Ich hab sie gefragt, was sie denn vorhabe, aber sie hat nur gemeint, sie würde es mir später vielleicht einmal sagen. Sie war ziemlich in Eile. Und dann hab ich noch gefragt, ob sie jemand anders habe, was mich nicht wundern würde bei dem Mann, den sie zu Hause hat …«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Durant gespannt.
Ihr Lachen klang hart und zynisch, sie schüttelte den Kopf. »Ihr Mann ist ein Säufer, genau wie meiner. Wollen Sie meinen sehen? Er liegt im Bett und pennt, weil er wieder den ganzen Morgen gesoffen hat. Er säuft und säuft und säuft. Ich bin’s einfach leid mit diesem Typ …«
»Herr Müller hat uns gesagt, seine Frau sei wegen ihres Vaters zu der Gruppe gegangen, er selbst trinke nur sehr selten.«
Renate Schwab sah die Kommissarin traurig an. »Haben Sie schon einmal etwas mit Alkoholikern zu tun gehabt? Nein, bestimmt nicht, denn dann wüssten Sie, dass Alkoholiker immer lügen. Sie lügen sich und andere an. Es stimmt, auch der Vater von Erika war Alkoholiker, das Beschissene ist nur, dass viele Frauen, die einen alkoholkranken Vater haben, auch noch einen Alkoholiker heiraten.« Sie seufzte auf und schüttelte den Kopf. »Der Müller ist nicht anders als mein Mann, ich meine, was den Alkohol betrifft. Sicher, jeder Alkoholiker ist anders, es gibt welche, die müssen ständig ihren Pegel halten, andere trinken nur abends oder am Wochenende, doch letztendlich sind sie alle Säufer. Aber die Gruppe hat mir geholfen. Ich wollte mir schon maldas Leben nehmen, kurz nachdem meine Tochter geboren war. Und dann hab ich zum Glück über Erika die Gruppe kennen gelernt. Dort haben sie mich aufgebaut und mir gezeigt, dass ich etwas wert und nicht schuld am Alkoholismus meines Mannes bin, wie er mir immer einzureden versucht. Er allein ist dafür verantwortlich.
Er
trinkt und nicht ich. Er hat jetzt eine Woche Urlaub, und diese eine Woche nutzt er ausgiebig, um sich zu besaufen. Soll er, ich hab es mir längst abgewöhnt, nach Flaschen zu suchen und das Zeug wegzuschütten. Es bringt nichts, er besorgt sich sowieso immer wieder was Neues. Es ist sein verdammtes Leben und sein Tod. Ich hab mich bemüht, ihm zu helfen, genau wie Erika oder Inge es bei ihren Männern getan haben, aber wer so richtig schön drauf ist, lässt sich nicht helfen. Und bevor ich
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