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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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mir Prügel einhandele, halt ich lieber den Mund.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Julia Durant. »Und Sie wissen sicher, dass Herr Müller Alkoholiker ist? Ich meine, er arbeitet in einer Bank.«
    »Na und?«, erwiderte Renate Schwab zynisch auflachend. »Was glauben Sie, wie viele Banker und andere hohen Tiere saufen? In unserer Gruppe sind nur Frauen, Frauen aus allen Schichten, von Unternehmern, Künstlern, Bankern, stinknormalen Angestellten, Arbeitern. Der Mann der einen säuft seit über vierzig Jahren, und obwohl er weiß, dass er Leberzirrhose hat, hört er nicht auf. Sein Kurzzeitgedächtnis hat schwer nachgelassen, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis er übern Jordan geht. Eine andere ist zum dritten Mal verheiratet, mit dem dritten Alkoholiker. Es ist einfach zum Kotzen. Es ist, als ob man aus diesem Teufelskreis nie rauskommen würde.«
    »Und wenn Sie einfach gehen?«
    Renate Schwab lachte wieder auf. »Einfach gehen? Ich weiß nicht, ob Sie verheiratet sind, aber ich bin es seit achtzehn Jahren. Ich müsste schon sehr, sehr weit weggehen, damit er mich nicht finden kann. Er hat gedroht, mich und die Kinder umzubringen,wenn wir wagen sollten, abzuhauen. Und ich traue ihm alles zu. Ich warte einfach ab, bis er eines Tages tot umfällt, was bestimmt nicht mehr allzu lange dauern wird, einen Herzinfarkt hat er schließlich schon hinter sich, und seine Leber ist auch ziemlich ramponiert. So lange werden wir es schon noch aushalten. Tja, so ist das Leben. Deswegen sieht’s hier drin auch aus wie in einem Saustall. Ich komme zu nichts mehr, ich habe zu nichts mehr richtig Lust, ich schreie viel zu oft die Kinder an, und das alles nur wegen dieser verdammten Situation. Manchmal habe ich das Gefühl, als ob er alle Energie aus mir raussaugen würde. Und trotzdem sage ich mir, ich werde mich nicht unterkriegen lassen.«
    »Und was meint Ihr Mann dazu, dass Sie zu dieser Gruppe gehen?«
    »Anfangs hat er geschimpft und mich sogar geschlagen, aber dieses eine Mal habe ich mich durchgesetzt. Er hat gefragt, was ich bei diesen Fotzen wolle, dort würde ja sowieso nur über die bösen, bösen Männer gelästert. Ich bin trotzdem gegangen. Seit einiger Zeit gibt er Ruhe. Und außerdem lästern wir nicht über unsere Männer, wir haben alle eingesehen, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Der eine schafft es, sie zu besiegen, der andere geht daran zugrunde.«
    »Um noch einmal auf Ihre Freundin zu sprechen zu kommen: Haben Sie wirklich alles gesagt? Oder gibt es noch ein Geheimnis, von dem wir wissen sollten?«
    Renate Schwab schüttelte den Kopf. »Es gibt keines mehr.«
    »Hatte Frau Müller eine Affäre, eine außereheliche Beziehung, einen Freund?«
    »Sie hat nie etwas davon erwähnt. Aber das am Freitag hat mich schon ein wenig stutzig gemacht. Vielleicht hatte sie ja tatsächlich jemanden. Wie heißt es doch so schön, stille Wasser sind tief. Und sie war ein sehr stilles Wasser. Aber da fällt mir ein, dass sie seit einiger Zeit etwas aufgekratzter war. Ich habe miraber darüber weiter keine Gedanken gemacht. Und sie hat auch nicht mit mir darüber gesprochen.«
    »Sagen Sie, wie gut waren Sie mit Frau Müller befreundet?«
    »Wir haben zwei-, dreimal die Woche telefoniert und uns natürlich jeden Freitag gesehen. Manchmal auch außer der Reihe.«
    »Hat sie jemals erwähnt, dass sie Tagebuch geführt hat?«, fragte die Kommissarin, einem Instinkt folgend.
    Renate Schwab nickte. »Ja. Sie hat mir sogar mal ein paar Eintragungen gezeigt. Warum wollen Sie das wissen?«
    »Nur so. Dann bedanke ich mich erst mal für Ihre Hilfe, und Kopf hoch, es wird schon werden.«
    »Es geht immer weiter. Ich bin ja erst achtunddreißig, während der da«, sie deutete mit dem Kopf zum Schlafzimmer, »schon fünfzig ist. Er macht’s nicht mehr ewig. Und dann fängt das Leben an.«
    Renate Schwab begleitete die Beamten zur Tür und sah ihnen nach, wie sie die Treppe hinuntergingen.
    Draußen sagte Julia Durant: »Scheiße, was? Aber bevor wir ins Präsidium fahren, schauen wir noch mal bei Müller vorbei. Ich will die verdammten Tagebücher haben.«
    »Wenn er wirklich Alkoholiker ist, dann hat er nun erst recht einen Grund zu saufen, oder?«, meinte Hellmer.
    »Wird wohl so sein. Sollte er jetzt besoffen irgendwo in der Ecke liegen, werde ich dafür sorgen, dass die Kinder erst mal sicher untergebracht werden.«
    Auf der Fahrt nach Griesheim meldete sich Berger. »Nur eine ganz kurze Mitteilung. Wir haben inzwischen

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