Der Jäger
treten.
»Hier«, sagte er, »die Nadel. Es stimmt, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, haargenau mit dem Fall Müller überein. Nur, dass die Kleine hier schon seit etwa zwölf Stunden tot ist, plus minus zwei Stunden, genau kann ich das erst nach der Autopsie sagen. Die Leichenflecken sind jedenfalls nicht mehr verlagerbar. Tja, dann lassen wir sie mal in die Pathologie bringen.«
»Wann kriegen wir den Bericht?«, fragte Durant.
»Morgen früh. Aber er wird sich kaum anders lesen als der von dieser Müller. Ich beneide Sie nicht um Ihren Job. Ehrlich.« Er zog seine Handschuhe aus, verschloss die Tasche, nahm sie vom Boden. »Haben Sie übrigens schon die Rundschau vom Nachmittag gelesen? Da steht ein kurzer Artikel von gestern Nacht drin.«
»Die kriegen aber keine detaillierten Informationen von uns. Es wurde eine Frau erdrosselt, mehr nicht. Wir machen jetzt mal den Weg frei für die Spurensicherung. Bis morgen früh dann … Ach ja, versuchen Sie doch bitte rauszukriegen, ob sie Geschlechtsverkehr hatte. Ich meine, ob Sie Sperma finden. Und machen Sie außerdem einen Aids-Test.«
»Glauben Sie wirklich, wir finden etwas, wenn sie eine Hure war?«, fragte Morbs sarkastisch. »Ohne Gummi läuft doch in dem Gewerbe heute gar nichts mehr.«
»Tun Sie’s mir zuliebe, okay?«
»Natürlich, aber ich sage Ihnen gleich, ich werde nichts finden.« Auf dem Weg nach draußen blieb er plötzlich stehen, fasste sich mit einer Hand ans Kinn, drehte sich um und sah die Kommissare an. »Sagen Sie mal, tragen eigentlich alle Frauen heutzutage nur noch Spitzendessous?«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Durant mit hochgezogener Stirn.
»Na ja, ich erinnere mich an vergangenes Jahr und … ich wollte nur sagen, dass alle vier teure Dessous anhatten. Ich meine, bei einer Prostituierten ist das nicht ungewöhnlich, aber bei einer normalen Hausfrau und einer Finanzbeamtin … Ein bisschen merkwürdig ist das schon, schließlich muss ich öfter eine Leiche vor der Autopsie entkleiden. Und nur ganz selten tragen die Frauen derart ausgefallene Unterwäsche.«
»Danke für den Hinweis, Professor. Sie sind also ganz sicher, dass alle vier teure Dessous anhatten?«
»Müsste in den Berichten stehen. Wenn nicht, dann hat jemand geschlampt. Machen Sie’s gut und viel Spaß noch«, sagte er grinsend.
»Ha, ha, ha! Witzbold!«
Durant und Hellmer begaben sich nach unten zu ihrem Wagen. Auf dem Weg ins Präsidium sagte Hellmer: »Du bist heute wirklich sehr gereizt? Was ist los?«
»Nichts, verdammt noch mal! Es ist alles in Ordnung.«
»Und warum soll Morbs die Kassner auf Sperma untersuchen?«
»Es gibt Huren, die machen es auch ohne, solange die Bezahlung stimmt. Ich war eine ganze Weile bei der Sitte, falls du das vergessen haben solltest.«
Einen Augenblick lang schwiegen sie, schließlich fragte Hellmer: »Und wer sagt es Frau Faun?«
»Ich, wer sonst«, erwiderte Durant mit einem gekünstelten Lachen. »Ich mach das nachher, nach unserer Besprechung. Und dann lass ich mich voll laufen.«
»Lass den Blödsinn!«
»Es kotzt mich einfach alles an. Ich glaube, ich halte das nicht mehr lange durch. Ich fühle mich hundeelend.«
Die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf Frankfurt, als sie auf den Präsidiumshof fuhren.
Montag, 18.00 Uhr
Polizeipräsidium. Julia Durant hatte sich auf der Toilette etwas frisch gemacht und schenkte sich gerade einen Kaffee ein, als Kullmer und Bergmann zur Tür hereinkamen. Elf Beamte waren im Besprechungszimmer versammelt.
Berger wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, als Durant ihm ins Wort fiel: »Also, meine Dame, meine Herren, wir sind hier, um über vier tote Frauen zu sprechen. Wir werden jetzt sämtliche uns bisher bekannten Fakten auf den Tisch legen und versuchen, daraus ein einigermaßen sinnvolles Bild zu erstellen. Wer fängt an?«
Kullmer, der mit dem Stuhl wippte, hob die Hand und sagte mit einem Blick auf seinen Notizblock: »Bergmann und ich haben uns noch einmal die Fundorte angesehen. Carola Weidmann, gefunden am 28. Oktober letzten Jahres um 7.15 Uhr am Parkfriedhof Heiligenstock. Tatzeit etwa 2.00 Uhr nachts. Juliane Albertz, gefunden am 13. November letzten Jahres um 5.25 Uhr in der Rotlintstraße. Tatzeit etwa 1.00 Uhr nachts. Und Erika Müller, gefunden letzte Nacht um 1.45 Uhr im Grüneburgpark. Tatzeit etwa 0.45 Uhr. Anhand der damals und vergangene Nacht gemachten Fotos haben wir versucht herauszufinden, weshalb der Täter seine Opfer in immer der
Weitere Kostenlose Bücher