Der Jäger
gewollt hätte, dass Sie diese Sachen kriegen. Und sollte sich kein Verwandter auffinden lassen, werde ich dafür sorgen, dass Sie alles bekommen. Versprochen.«
»Frau Durant, ich weiß nicht, was …«
»Sagen Sie jetzt gar nichts. Normalerweise dürfte ich das nicht tun, aber ich möchte, dass Sie hier wohnen bleiben und Ihr Studium beenden. Hören Sie,
ich
möchte es.«
»Warum tun Sie das?«, fragte Camilla Faun mit einem unnachahmlichen Lächeln.
»Weil ich Sie mag. Sie sind mir einfach sympathisch. Und vielleicht können Sie mir ja irgendwann mal einen Gefallen tun. Und sollte Ihnen noch irgendetwas zu Ihrer Freundin einfallen, auch wenn es nur winzige, für Sie scheinbar unwichtige Details sind, so lassen Sie mich das wissen. Okay?«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll …«
»Studieren Sie einfach weiter, und irgendwann wird sich alles von allein regeln.«
»Aber ich kann das nicht verkaufen. Wo sollte ich damit hingehen?«
»Ich erledige das zu gegebener Zeit für Sie.«
»Danke schön. Und im Moment komme ich noch ganz gut zurecht.« Und nach einer weiteren Pause: »Es ist seltsam, eigentlich müsste ich weinen, aber ich kann nicht. Ich weiß, ich werde Judith sehr vermissen, und doch gibt es ein Schicksal, gegen das wir uns nicht wehren können. Nicht wir bestimmen, wann unsere Zeit gekommen ist, es existiert eine höhere Macht, die uns abberuft. Ich glaube fest daran, auch wenn Judith ermordet wurde. Ihre Zeit war einfach gekommen … Wie ist sie überhaupt gestorben?«
»Sie wurde erdrosselt.«
»Haben Sie schon eine Spur zum Täter?«
»Nein, bis jetzt nicht. Wir vermuten, dass es sich um einen Serientäter handelt. Es gibt drei weitere Morde, die die gleiche Handschrift tragen.«
»Das ist wirklich schrecklich. Man möchte nicht glauben, zu was Menschen fähig sind. Als ob diese Welt und dieses Leben nicht schon aufregend genug wären, manchen reicht das einfach nicht. Die Welt ist schlecht geworden, die Menschen haben ihre Herzen verhärtet, und keiner kümmert sich mehr um den anderen. Sie sind egoistisch und lieblos, und daran wird letztendlich diese Welt auch zu Grunde gehen.«
»Frau Faun, es tut mir Leid, aber ich muss jetzt weg. Ich habe ab heute Bereitschaftsdienst und noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Sie können mich natürlich jederzeit anrufen. Ach ja, bevor ich’s vergesse, morgen früh kommt ein Kollege von mir vorbei, um den Computer abzuholen. Wir hoffen, darauf noch mehr als nur ein Telefonverzeichnis zu finden.«
»Kein Problem, ich werde da sein. Und vielen Dank für Ihre Hilfe. Gute Nacht.«
Als Julia Durant zu ihrem Wagen ging, fühlte sie sich erleichtert. Sie würde natürlich Frank Hellmer die Sache mit dem Schmuck beichten, doch sie war sicher, er würde es verstehen. Ein eisiger Wind fegte durch die Straßen, die Kommissarin stellte die Heizung auf die höchste Stufe. Sie legte eine Kassette von Bon Jovi ein, drehte die Lautstärke hoch. Sie hielt an einer Tankstelle, tankte, holte sich drei Dosen Bier, zwei Schachteln Gauloises, eine Tafel Schokolade und eine große Tüte Chips. Um Viertel vor neun kam sie zu Hause an.
Montag, 20.30 Uhr
Sie hatten das Abendessen beendet, das Hausmädchen hatte den Tisch abgeräumt. Er ging ins Wohnzimmer, schaltete den Fernsehapparat ein und setzte sich aufs Sofa. Er sah auf den Bildschirm, nahm aber nicht wahr, was dort gezeigt wurde. Er dachte an den vergangenen Tag, das Abendessen, das sie, wie so oft, mit einer dahinplätschernden Unterhaltung eingenommen hatten. Sie war nach oben gegangen, kehrte aber nach wenigen Minuten zurück und setzte sich in den Sessel, der schräg neben der Couch stand. Sie trug ein kurzes dunkelblaues Kleid, das ihre Rundungen wieder einmal vollkommen zur Geltung brachte. Er begehrte sie, verzehrte sich nach ihr, manchmal brachte sie ihn schier um den Verstand, wie jetzt. Nach einem kurzen Momentstand sie wieder auf, ging ans Barfach, öffnete es und holte eine Flasche Scotch heraus.
»Möchtest du auch einen?«, fragte sie.
»Ja bitte«, antwortete er, den Blick starr auf den Fernsehapparat gerichtet.
Sie gab Eis ins Glas, schüttete den Scotch darüber und sagte im Stehen: »Schatz, wir müssen miteinander reden.«
»Und worüber?«, fragte er und sah sie kurz von der Seite an.
»Über uns, über was sonst?«
Er lachte auf, trank sein Glas in einem Zug leer, hielt es aber weiter in den Händen.
»Über uns! Was gibt es über uns schon noch zu reden?«
Sie setzte
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