Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
wollt Ihr dieses Blatt hier einsortieren?« fragte er. »Weil es hier hineingehört«, erklärte Severin steif.
Philipp schüttelte den Kopf. »Es war weiter unten; seht ...« Er faßte nach dem Stapel und pflückte ihn in Windeseile auseinander, um Severin zu demonstrieren, wohin das Blatt gehörte. Der Mönch riß die Augen auf, dann stürzte er sich fast auf den Dokumentenstapel, um Philipp an einem weiteren Umsortieren zu hindern.
»Laßt mich es tun, bitte«, sagte er mühsam beherrscht.
»Wie Ihr wollt«, sagte Philipp und breitete die Hände auseinander.
Severin warf ihm einen Seitenblick zu, und Philipp stand auf und trat ein paar Schritte zurück. Er deutete auf ein leeres Fach in einem der Regale, das in der Dunkelheit zwischen zwei Fenstern lag. »Warum ist hier eine Lücke?« fragte er.
»Das ist das Fach, in dem Bruder Pio die Dokumente fand«, erklärte Severin. »Seht Ihr, wie dunkel es ist? Man kann Bruder Fredgar wirklich keinen Vorwurf machen, daß er sie übersehen hat.«
Philipp trat näher an das Fach heran und studierte die leere Stelle, so gut es in der Dunkelheit ging. Er fuhr mit dem Finger über den Fachboden und kam mit einer grauschwarzen Fingerkuppe zurück. Selbst im schlechten Licht war die Spur zu sehen, die er in den Staub gezogen hatte. »Habt Ihr nicht gesagt, es wären andere Unterlagen auf den neu gefundenen gelegen?« fragte er. Severin nickte und deutete auf einen unordentlichen Stapel, der in einem Fach daneben lag.
»Wir haben sie dort hingelegt, um nicht aus den Augen zu verlieren, wohin sie gehören.«
Philipp faßte den Stapel mit spitzen Fingern an; er erwartete halb einen neuerlichen Protest von Seiten Severins, aber diese Papiere waren offensichtlich nicht wichtig genug. Philipp hob den Stapel hoch und drehte ihn um. Die Schmutzspuren aus dem Fachboden waren auf dem untersten Blatt deutlich zu sehen. Er legte den Stapel wieder zurück.
»Ich bewundere die Findigkeit von Bruder Pio«, erklärte er. »Ich hätte diese Unterlagen niemals gefunden, geschweige denn ihre Wichtigkeit erkannt.«
Bruder Severin lächelte, und der Groll, den er eben noch gegen Philipp gehegt hatte, verschwand aus seinem Gesicht. »Er ist ein guter Archivar«, sagte er. »Ich bin stolz, für ihn zu arbeiten.«
»Dann sollten wir auch wieder an die Arbeit gehen. Laßt uns die Taufbücher nochmals durchstöbern. Ich möchte sichergehen, daß wir auch hier nichts übersehen haben.«
Das Ergebnis der zweiten Untersuchung der Taufbücher war vorhersehbar gewesen. Sie hatten sie gerade beendet, als Johannes im Eingang des Archivs erschien. Severin richtete sich auf.
»Laßt die Bücher ruhig liegen«, sagte er zu Philipp. »Ich ordne sie wieder ein.«
»Ihr wart mir eine große Hilfe«, erwiderte Philipp. »Der Herr segne Euch.«
»Geht in Frieden«, sagte Severin.
Philipp schloß sich Johannes an, der wortlos auf ihn gewartet hatte. Gemeinsam schritten sie die Treppe hinunter. Aber anstatt ihn in den Westhof hinauszuführen, öffnete Johannes die Tür zum einsam daliegenden Kreuzgang. Philipp folgte ihm überrascht.
»Warst du erfolgreich?« fragte Johannes. Philipp schüttelte den Kopf. Johannes war offensichtlich mit anderen Dingen beschäftigt als Philipps Suche. Er ging ohne anzuhalten weiter und brummte: »Ich schon.«
»Hast du etwas über Bruder Pios sensationelle Unterlagen herausgefunden?« fragte Philipp. Johannes blickte ihn einen Moment lang unentschlossen an. Schließlich antwortete er: »Es sind Schenkungsurkunden an die Kirche: Gold, Vollmachten, vor allem aber Landschenkungen.
Selbst der Grund, auf dem dieses Kloster steht, ist darin verzeichnet. Er gehörte dem Orden schon, lange bevor das Kloster erbaut wurde.«
»Das ist alles? Ich dachte, Bruder Pio hätte gesagt, es handle sich um mehr als nur um Schenkungsurkunden.«
»Ich habe nur einen Teil der Unterlagen durchgesehen, die ich mitgenommen habe, und diese sind wiederum nur ein Bruchteil des gesamten Fundes.«
»Eine ganz besonders spannende Lektüre steht dir da noch bevor.«
»Eine Reihe der Schenkungen wurde von Kaiser Otto dem Großen durchgeführt«, knurrte Johannes. »Aber es sind auch welche dabei, die von zwei alten fränkischen Herrschern stammen: Pippinus und Karolus Magnus.«
»Der gute alte Karolus. Augustus. Augustus Maximus. In letzter Zeit stolpert man über ihn, wohin man geht.«
»Sein Vater Pippinus und später auch er haben die Konstantinischen Schenkungen nochmals bestätigt. Das
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