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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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einmal beigebracht. Man kann Hühnereier damit verschwinden lassen und sie hinter den Ohren der Kinder wieder hervorziehen. Der Grund für Philipps Interesse an den von Bruder Pio aus dem Nichts herbeigezauberten Dokumenten – ein noch größerer Taschenspielertrick als mein eigener, dachte Philipp mit widerwilliger Bewunderung – war selbst im Halblicht zu sehen, als er Radolfs Fetzen und das Pergament aus dem Archiv übereinanderhielt. Die abgeriebenen Buchstaben auf Radolfs Abriß hatten die gleiche Gestalt wie die auf dem Pergament. Sie hatten das gleiche Alter. Da es nicht anzunehmen war, daß Radolf in seinem Haus zufällig Fetzen von Pergamenten aufbewahrte, die im Alter dem Fund im Klosterarchiv glichen, konnte dies nur bedeuten, daß Radolfs Pergamentabriß tatsächlich aus dem Fund Bruder Pios stammte. Und da Radolf nicht vor kurzem im Kloster gewesen war, mußte er ihn schon besessen haben, seit er von Fredgar die Originaldokumente seiner Heirat verlangt hatte.
    Vielleicht war es gar nicht Fredgars Säuferei gewesen, die ihn Radolf in die Hände gespielt hatte. Vielleicht war es eher so, daß Fredgar (in seinem Herzen ein Kaisertreuer, wer mochte das wissen?) damals jene Unterlagen gefunden und versteckt hatte, um Schaden vom Kaiser abzuwenden; und Radolf hatte sie durch Zufall entdeckt, als er seineeigenen Dokumente suchte, ein paar Pergamente als Beweis eingesteckt und Fredgar damit erpreßt.
    Philipp wußte nicht, was die übereinstimmenden Buchstaben bedeuten konnten. Aber es mochte interessant sein, Radolf damit zu konfrontieren, wenn er versuchte, seine Enttäuschung über das Mißlingen des Auftrags an Philipp auszulassen. Mit dem beruhigenden Gedanken daran schlief Philipp ein.
    Als er wieder erwachte, herrschte reges Treiben im Westhof des Klosters. Der Himmel hatte sich in den letzten Stunden mit einem Schleier bezogen und leuchtete nun in grellem Weiß. Im Westen war etwas wie eine Verdichtung der Wolken zu ahnen, und die Insekten waren peinlich lästig. Philipp warf dem Himmel einen mißmutigen Blick zu, während er über den Hof zum Eingang von Bastulfs Herberge schritt.
    Bastulf begrüßte ihn flüchtiger als gestern: Der Herbergsraum war heute beinahe zum Bersten mit Männern gefüllt, und er eilte zwischen den Tischen umher und teilte Suppe aus. Philipp stand in der Tür, bis seine Augen sich an die Düsternis des Raumes gewöhnt hatten, dann spähte er auf der Suche nach einem Sitzplatz umher. Zu seinem Erstaunen entdeckte er ein bekanntes Gesicht: Galbert. Dieser wandte ihm im gleichen Augenblick das Gesicht zu, begann überrascht zu lächeln und erhob sich.
    »Hierher, Philipp«, rief er und winkte. Philipp drängte sich durch die Sitzenden und nahm neben ihm Platz.
    »Was machst du denn hier, Galbert?«
    Galbert verzog das Gesicht zu einem Lächeln, das über den Dingen stehend aussehen sollte und doch nur seinen Stolz bekräftigte. »Ich bin die Eskorte für die fränkische Dame, die auf unserem Hof wohnt, solange du nicht da bist.«
    »Aude«, sagte Philipp. »Was um alles in der Welt hat sie vor?«
    »Ich glaube, sie sucht nach ihrem Mann, oder nicht?«
    »Ich weiß. Ich meine, wieso sucht sie ihn hier? Glaubt sie etwa, daß er unter die Mönche gegangen ist?«
    Galbert kicherte. »Ich habe keine Ahnung«, bekannte er. »Ich weiß nur, daß ich, wenn diese Frau mein Weib wäre, auf gar keinen Fall ins Kloster wollte.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Drüben, im anderen Flügel der Herberge, der für die Frauen vorbehalten ist.«
    »Wie seid ihr hergekommen? Doch nicht allein?«
    »Nein, sie hat gestern in der Stadt mit einigen Pilgern verabredet, daß wir uns ihnen anschließen dürften. Heute sind wir in ihrer Begleitung hierhergereist.«
    Philipp schüttelte den Kopf. Bastulf näherte sich mit einem Kessel, aus dem die Suppe dampfte, und blickte auf Philipp hinunter.
    »Ich sehe, es fängt an, dir hier zu gefallen«, sagte er.
    »Daran ist nur deine Suppe schuld, Bastulf. Und ich habe noch ein paar Dinge mit Johannes zu besprechen. Er läßt dir ausrichten, ich könne eine weitere Nacht die Gastfreundschaft des Klosters mißbrauchen.«
    »Johannes ist noch während der Mittagsruhe weggeritten. Kurz zuvor kam ein Pächter und meldete, daß er einen toten Mann auf seinem Acker gefunden habe, und Johannes ist sofort mit dem Prior und dem Sakristan aufgebrochen, um die Leiche zu sehen und hierherzubringen.« Bastulf wies mit einer tropfenden Schöpfkelle auf den Tisch. »Du mußt dir

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