Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Vorhandensein dieserDokumente weiß, ich will nicht der einzige sein, dem diese Tatsache bekannt ist.«
»Du fürchtest, daß Radolf dir etwas antut, wenn du ihn mit deinem Wissen konfrontierst.«
»Ich halte ihn zu vielem für fähig.«
»Weshalb arbeitest du für ihn, wenn du ihn so wenig leiden kannst?«
»Ich tue es nicht für ihn. Er hat eine Tochter ...«
Johannes’ Gesicht verschloß sich. Er wandte sich ab und schritt zur Tür des Archivs. Philipp folgte ihm hinaus. Johannes verriegelte den Zugang.
»Sie ist die Tochter eines Adligen«, sagte er schließlich. »Du solltest dir nicht zu viele Hoffnungen machen.«
»Es reicht mir, sie von der Ferne anzubeten wie ein Troubadour seine Herrin und ihr zuweilen etwas Gutes zu tun.« »Innerhalb dieser Mauern solltest du nicht lügen.« »Na gut! Ich könnte meinen Herrn bitten, mich einem seiner Gefährten als Knappen zu verantworten und mich nach einiger Zeit, wenn ich mir genügend habe gefallen lassen, in den Ritterstand zu erheben. Das würde die Schranke zwischen uns niederreißen. Ich wäre zwar noch ärmer als Radolf, aber wenn ich ihm den Anteil an den Eisenminen verschaffe, den sie erben wird, dann sieht sie mich vielleicht als Freund und pfeift auf meinen Besitz.«
Johannes stieg die Treppe hinunter, ohne Philipp zu antworten. Philipp, der sich nach seinen Worten reichlich töricht vorkam, lief ihm hinterdrein. Sie sprachen nicht mehr, bis Johannes sich von ihm am Portal der Kirche verabschiedete.
»Du hast nie gewußt, wo du nach Freunden suchen mußt«, sagte er und schlüpfte durch das Portal zurück in die Kirche, ohne Philipp Gelegenheit zur Erwiderung zu geben.
Philipp trat mit dem Fuß halbherzig gegen den geschlossenen Türflügel.
Als er sich umdrehte, standen Galbert und vier Bewaffnete aus dem Troß seines Herrn im Westhof. Philipp starrte sie verblüfft an.
»Wir eskortieren die fremde Dame und Galbert; dich natürlich auch, wenn du möchtest«, erklärte ihr Anführer. »Wart ihr schon den ganzen Tag über hier?« fragte Philipp erstaunt.
»Nein, wir sind gerade eben eingetroffen. Der Herr hat uns der Dame hinterhergeschickt.« »Warum denn das?«
»Aus Sicherheitsgründen. Es gab einen Überfall von Gesetzlosen auf einen unserer Pächterhöfe«, sagte Galbert. Er machte ein bedrücktes Gesicht.
»Tote?«
»Eine ganze Pächterfamilie; bis auf ein junges Mädchen wurden alle erschlagen. Scheinbar konnte sie ihnen weglaufen.«
»Was haben die Strauchdiebe sich nur von einem Pächterhof erhofft? Wie hieß der Pächter?«
»Es war Lambert mit der Blesse«, krächzte Galbert. »Der, den du aus der Stadt mitgebracht hattest.«
Am Morgen wurde der Leichnam von Kaplan Thomas für die Beisetzung vorbereitet, die für den folgenden Tag angesetzt war. Philipp verabschiedete sich zusammen mit Galbert von dem Toten; er wollte nicht auf die Beerdigung warten, sondern zu Radolf aufbrechen. In seinem Herzen stritten sich ein schlechtes Gewissen über diese Art der Flucht mit seiner Überzeugung, daß er mit dem Gebet, daser jetzt an der Seite des umwickelten Leichnams sprach, bereits seinen Abschied nahm und alles andere nur noch Zeremonie war. Nach dem Gebet verharrte er noch eine Weile neben dem Toten, während Galbert, weniger niedergeschlagen über den Tod des Kaplans als über den Tod Lamberts, für den er eine gewisse Verantwortung empfunden hatte (der alteingesessene Knecht gegenüber dem neuen), wieder hinausging, um Audes Abreise in die Wege zu leiten. Philipp dachte an Thomas, aber dann drifteten seine Gedanken ab, befaßten sich mit dem Tod Lamberts, um den er sich lieber gekümmert hätte, als sich mit Radolf auseinanderzusetzen, wanderten über Radolfs Angelegenheiten zu Dionisia, hielten sich dort jedoch auch nicht auf und endeten schließlich bei Aude. Sie hatte die beschwerliche Reise zum Kloster heraus für nichts unternommen. Johannes war nach dem Morgengebet nochmals auf Philipp zugekommen, ohne eine Spur seiner gestrigen Verdrießlichkeit zu zeigen, und hatte ihn darüber informiert, daß Minstrel tatsächlich niemals im Kloster eingetroffen war. Philipp wünschte dringend, ihr einen Gefallen tun zu können, aber er hatte keine Ahnung, welchen. Er hätte ihr deutlicher als bisher sagen können, daß er ihre Freundschaft annahm und auch seinerseits ihr Freund sein wollte, aber es war schwierig, dies einer Frau gegenüber auszusprechen, die verheiratet war. Sie hatte ihm auf die Frage, ob sie ihren Gemahl liebe, nicht
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