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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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einem Ehemann ganz passabel erfüllt hätten. Als sie aber hörte, der Herr habe einen neuen Mann für Gertrud ausgesucht, konzentrierten sich ihre Erwartungen plötzlich auf diesen Unbekannten. Instinktiv wußte sie, daß er großgewachsen, schlank, schön und bartlos sein und sich auf der Stelle in sie verlieben würde, woraufhin er Gertrud verstoßen und mit ihr den Landstrich verlassen würde. Es konnte gar nicht anders sein.
    Natürlich war Lambert eine Enttäuschung, als er endlich eintraf. Natürlich fühlte sich Lioba bei seinem Anblick beschämt, insbesondere da ihm Gertrud so egal zu sein schien wie Lioba selbst und er dennoch Gertrud ganz ungezwungen zur Frau nahm und Lioba verschmähte. Natürlich verschwanden die romantischen Vorstellungen, die sie auf Lambert projiziert hatte, auf der Stelle.
    Und natürlich verwandelten sie sich mit der gleichen Geschwindigkeit in tiefe Abneigung und eine simple Narbe in ein Teufelsmal.
    »Warum schläft der neue Mann nicht in unserem Haus?« hatte Renata gefragt, nachdem der Älteste Gertrud ihren neuen Mann zum ersten Mal vorgestellt hatte.
    »Weil der Kaplan uns noch nicht getraut hat«, hatte Gertrud geantwortet.
    »Und warum muß er das zuerst tun?«
    Lioba hatte sich eingeschaltet: »Weil er ihr sonst nicht den Schwanz reinstecken kann.« Renata hatte sie nur groß angesehen. Wahrscheinlich war ihr gar nicht klar gewesen, wovon Lioba gesprochen hatte. Sie hatte auch zeit ihres Lebens die ganze Nacht hindurch tief und fest geschlafen. Man war gestraft mit einer so dämlichen Zwillingsschwester.
    Am Tag darauf kamen alle aus dem Dorf zu ihrem Haus heraus. Die Frauen trugen Kränze in den Haaren und drückten auch Gertrud einen lächerlichen Kranz aus grünen Ähren, Kornblumen und Mistelzweigen auf den Kopf. Zuvor kämmten sie ihr das Haar, steckten es zu einem dicken Zopf zusammen und schmierten es mit Schmalz ein, damit es glänzte. Lioba wurde die Prozedur zu langweilig; sie schlenderte um das Haus herum und sah zu ihrem Erstaunen, daß Lambert und der Kaplan im Schatten dahinter auf dem Boden knieten und sich unterhielten. Der Kaplan hatte die Augen geschlossen, und Lambert drehte ihr den Rücken zu. Das Geschrei und fröhliche Gekreische vor dem Haus machte ihre barfüßigen Schritte unhörbar. Sie huschte zur Hausecke zurück und lugte daran vorbei. Sie konnte jedes Wort hören, das die beiden Männer sprachen. »Und dieser Frevel wurde auch im heiligen Kloster verübt?« fragte der Kaplan mit strenger Stimme. Aus der Nähe sah Lioba, daß seine Stirn gefurcht war.
    »Es war nicht meine Schuld; ich habe nur getan, was mein Herr mir aufgetragen hat.«
    »Aber es war eine Sünde!«
    Lambert wand sich. Er hatte also mindestens eine Sünde begangen. Liobas Begriff von Sünde war nicht klarer als manches andere, von dem sie gehört hatte. Aber eine Sünde rief den Zorn des Kaplans hervor, und wenn der Kaplan zornig war, wurde es schlimm. Gott konnte dann ohne weiteres ein Unwetter schicken, das die Ernte vernichtete und die Menschen hungern ließ. Was das bedeutete, war ihr nicht im mindesten unklar.
    »Ich bereue, Vater, ich bereue.«
    »Was hast du sonst noch mit den heiligen Büchern angestellt?«
    »Nichts, Vater, nichts, was mich betrifft. Ich habe die Schriften nur hin- und hertransportiert. Ich selbst habe nichts damit angestellt.«
    Der Kaplan grunzte zornig. Schließlich murmelte er etwas, ohne die Augen zu öffnen, das sich anhörte wie: »Egodea Solvio.« Vielleicht war es jemand, den er kannte.
    Lambert blieb weiterhin an seiner Seite auf dem Boden knien. Nach einem Augenblick hob der Kaplan den Kopf und sah ihn irritiert an.
    »Gibt es noch etwas, mein Sohn?«
    »Ja«, seufzte Lambert. »Ich habe meinem Herrn geholfen, einen Mann zu erschlagen.«
    Der Kaplan riß die Augen weit auf, bevor er sie hastig wieder schloß und den Kopf wieder senkte. »Gott sei seiner Seele gnädig«, flüsterte er. »Und deiner Seele auch. War es im Kampf?«
    »Nein, wir haben ihn im Schlaf überrascht.«
    »Gott sei seiner Seele gnädig.«
    »Ich habe ihn nur festgehalten; mein Herr hat ihn mit seinem Mantel erstickt.«
    »Glaubst du, das macht deine Tat besser, du Sünder?« keuchte der Kaplan.
    »Aber mein Herr hat es mir befohlen.«
    »Die Gebote Gottes sagen: Du sollst nicht töten, und die Gebote Gottes sind mächtiger als die deines Herrn.«
    »Aber mein Herr hat gesagt, wenn ich ihm nicht helfe, komme ich als nächster dran.«
    Der Kaplan schüttelte den Kopf.

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