Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Männer und das Stampfen der Pferde. Ihre Beine flogen, und ihr Herz raste.
Natürlich holten sie sie ein. Und eine schrecklich lange, schrecklich kurze Zeit erhielt Lioba ausreichend Gelegenheit, alle Erfahrungen nachzuholen, die ihr in bezug aufmännliche Schwänze noch fehlten, bevor sie ihr den Schädel einschlugen.
Während die gedämpften Geräusche vom Waldrand ertönten, kroch Renata, die sich unter einem Heuhaufen in der finstersten Ecke des Hauses versteckt hatte, hervor und taumelte, ungehört und körperlich unverletzt, in die andere Richtung. Sie näherte sich der Stelle erst wieder, als das Haus und die Leichen darin längst verbrannt waren und die Dörfler mit betretenen Gesichtern in den Überresten herumstocherten.
Erde zu Erde
Mein Bruder hat mich erschlagen,
unter der Brücke begraben,
um das wilde Schwein für des Königs Töchterlein.
Der singende Knochen (Volksmärchen)
Die Rückkehr des Ritters
A uf dem Weg zu Radolfs Besitz versuchte Philipp sich auf die Vorfreude zu konzentrieren, die er in den letzten Tagen gehegt hatte – die Vorfreude auf sein Wiedersehen mit Dionisia. Aber es wollte ihm nicht gelingen, während er auf der inzwischen bekannten Straße voranritt, die ihn zu dem bedeutungslosen Dorf zwischen den Feldern und schließlich zu Radolfs düsterem Bau führen würde. Thomas, Lambert und dazwischen immer wieder Aude wirbelten durch seine Gedanken. Galbert hatte ihm noch in der Nacht, wohl unter dem Eindruck von Lamberts plötzlichem Ende, gebeichtet, daß er in Philipps Abwesenheit etwas mit Frida angefangen hatte, einer hübschen jungen Magd, die in der Vergangenheit regelmäßig Philipps Strohlager geteilt hatte. Philipp, dem das Mädchen nichts bedeutet hatte (und der davon überzeugt war, daß es Frida in bezug auf ihn nicht anders hielt), verzieh Galbert, ohne mit der Wimper zu zucken. Scheinbar hatte ihm Galbert seine Teilnahmslosigkeit nicht abgenommen, denn er war beim Abschied zurückhaltender als üblich und wagte Philipp kaum ins Gesicht zu sehen. So war Philipp aufgebrochen, und so hatte sich sein Stimmungsbild erhalten.
Als er in einem Feld neben der Straße ein Pferd stehen sah, zügelte er seinen eigenen Gaul und spähte mißtrauisch nach vorne. Der Wald zwischen ihm und Radolfs Haus lag noch ein paar Meilen entfernt, ein dunkler Saum, der sicham Horizont erstreckte, und es war eher unwahrscheinlich, daß man bereits hier, inmitten des kultivierten Landes, von Vagabunden überfallen wurde. Dennoch mochten einige Elemente ihr Glück schon jetzt versuchen. Philipp richtete sich im Sattel auf und gewahrte zu seiner Besorgnis eine Gestalt, die ein paar Schritte abseits des Pferdes ausgestreckt auf der Erde lag. Ein Opfer eines Überfalls; ein Reisender, der unachtsam vom Pferd gestürzt und verletzt war; oder eine Falle für einen arglosen Mann. Soweit Philipp sehen konnte, bewegte sich die am Boden liegende Gestalt nicht. Er trieb sein Pferd an und näherte sich vorsichtig. Die lichten, schmalen Waldstücke, die zwischen den Feldern verblieben waren, waren zu weit von der Straße entfernt, als daß eine Gruppe keulenschwingenden Raubgesindels effektiv daraus hätte hervorstürzen können; aber in der Sonnenhitze flimmerte die Luft über den hellen Feldern, so daß durchaus ein paar erdfarben gekleidete Gestalten seinen Blicken entgehen konnten, wenn sie sich eng an den Boden preßten.
Nähergekommen, hörte er ein Geräusch, das die am Boden liegende Gestalt von sich gab. Er hielt sein Pferd an und stellte fest, daß es ein Schnarchen war.
Dann sah er, daß das einsame Pferd durchaus keine Schindmähre, sondern ein gepflegter, wuchtiger Gaul war, dessen Gegenwert sicherlich mehrere Dutzend Ochsen betrug. Kein Wegelagerer, dessen Alternativen nur im Verhungern oder in einem Überfall auf einen Reisenden lagen, hätte dieses Pferd behalten. Philipp lenkte sein Tier neben den Schläfer, bis sein Schatten auf ihn fiel, und rief ihn an.
Der Mann sprang mit verblüffender Schnelligkeit auf die Beine; tatsächlich bewegte er sich so behende, daß Philippsich eine Schrecksekunde lang fragte, ob er die Situation nicht falsch eingeschätzt hatte. Ein Schwert fuhr scharrend aus einer Scheide, die unter einem dicken Reisemantel verborgen gewesen war. Das Schwert mit beiden Händen ausgestreckt vor sich haltend, wirbelte der Mann einmal um seine eigene Achse, bevor er die Spitze der Waffe wieder auf den wie erstarrten Philipp richtete. »Mach keine Dummheiten,
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